Forum für Anthroposophie, Waldorfpädagogik und Goetheanistische Naturwissenschaft
Home
 
Home


Home
Suchen
Vorträge
Rudolf Steiner

Veranstaltungen

Service-Seiten

Adressen
Ausbildung


Bücher
Bibliothek
Links

Link hinzufügen
Stellenangebote

FTP Download

Impressum

Email
http://bibliothek.anthroposophie.net

Alfons Petzolds Leben

(24. September 1882 – 26. Jänner 1923)

Alfons Petzold ist heute beinahe vergessen; zu Unrecht, denn er war ein bedeutender, zukunftsweisender Dichter, ein Dichter, der aus dem Kreis der bitterärmsten Arbeiterschaft herausgewachsen ist, wahrscheinlich der bedeutendste Arbeiterdichter überhaupt war, dem die bittere Realität nicht fremd war und der offen Zeugnis von der Not seiner mitleidenden Genossen ablegte und der doch eines aus tiefstem Herzen erfahrenen geistigen Aufschwungs fähig war, der ihn auf neuen Wegen zu den wirklichen geistigen Quellen führte, die für die Führer der Arbeiterbewegung längst zur Ideologie verkommen waren und die das saturierte Bildungsbürgertum nur mehr als hohle Schöngeistigkeit ohne reale Substanz pflegte. Echtes, tiefes geistiges Erleben inmitten eines allzu rauhen äußeren Lebens machte ihn zu einem Brückenbauer zwischen den Welten, zu einem völlig unpathetischen Verkünder einer geistigen Erneuerung inmitten des modernen äußerlichen Alltagslebens. Was er schreibt, was er dichtet, ist immer ehrlich, denn man spürt mit jeder Zeile, mit jedem Wort, wie alles, die äußere Not ebenso wie die innere Beseligung, mit jeder Faser seines Lebens erlitten und erkämpft wurde. Und eines wird dabei ganz deutlich: die äußere Not, das harte Schicksal der Arbeiterklasse, ist eine unmittelbare Folge der vorhergehenden geistigen Not, die sich in den gebildeten Kreisen breit gemacht hatte. Auf den ersten Blick scheint die äußere Not heute überwunden zu sein, doch das täuscht, die Probleme haben sich nur verlagert. Zwar lebt die westliche Welt in einem beinahe überquellenden Wohlstand mit einem dicht geknüpften sozialen Netz, aber weltweit kann man kaum das ganz starke Ost-West- und Nord-Südgefälle übersehen, das weite Teile der Menschheit heute in noch viel bitterer Armut leben läßt, als es vor noch hundert Jahren der Fall war. Und die geistige Not? Ist sie überwunden? Haben wir sie vielleicht nur aus unserem Bewußtsein verdrängt und höhlt sie uns in der Tiefe nicht weiter aus? Vieles scheint darauf hinzudeuten! Unter der Oberfläche der alltäglichen Betriebsamkeit breiten sich kulturelle Öde und asoziale Gesinnung immer weiter aus. Petzolds Werk steht als einsame Leuchte in diesem geistigen Dunkel unserer Tage und kann uns einen "Pfad aus der Dämmerung" weisen. Und so sollten seine Dichtungen nicht bloß museal gepflegt werden, nicht bloß als Erinnerung an eine abgelaufene Zeit aufgefaßt werden, sondern als Zukunftsimpuls, der unsere Seelen mit jener Wärme und Innigkeit nährt, an der sich der geistige Funke entzünden kann. Denn das sind Petzolds Gedichte zuallererst: wärmende Seelennahrung – und derer bedürfen wir zumindest so sehr wie des täglichen Brotes!

Petzolds Leben und Werk läßt sich nur verstehen, wenn man einen Blick auf die Familienverhältnisse wirft, aus denen er, der körperlich so Schwächliche, als ganz starke geistige Individualität herausgewachsen ist:

Petzolds Großvater war als vielbeschäftigter Sattler- und Tapezierermeister einer der reichsten, wenn nicht der reichste Bürger in der kleinen Landstadt Borna im Herzogtum Sachen-Altenburg.

Petzolds Vater war anfangs eine überaus glückliche Jugend beschieden: "Es gab keine Freude, die er nicht erlebt hätte in jener wunderbaren Zeit, und viel des Frohsinns, der ihn selbst in den bittersten Jahren seines Lebens nie ganz verließ, war wohl in seiner Kindheit begründet worden." Das änderte sich, als eine Stiefmutter ins Haus kam, " eine noch sehr junge, hübsche, aber sonst unintelligente Bauerndirne", die den alternden Großvater mit einer wahren Schreckensherrschaft tyrannisierte. Sie wurde eine Trinkerin und brachte mit ihren Liebhabern den größten Teil des großväterlichen Vermögens durch. Verzweifelt erhängte sich der Großvater auf dem Dachboden seines Hauses.

Petzolds Vater war hochbegabt, aber sehr unstet sein ganzes Leben lang. Er erlernte zuerst das Sattlergewerbe, wurde dann Soldat, empörte sich aber gegen einen Vorgesetzten, wurde degradiert und kehrte wieder zum Handwerk zurück. Fanatisch schloß er sich der deutschen Arbeiterbewegung unter Wilhelm Liebknecht an. Wilhelm Liebknecht war der Vater des späteren Arbeiterführers Karl Liebknecht. 1869 gründete er zusammen mit August Bebel in Eisenach die Sozialdemokratische Arbeiterpartei, und 1875 war er maßgeblich an dem Zusammenschluss seiner Partei mit dem Allgemeinen Deutschen Arbeiterverein (ADAV) zur Sozialistischen Arbeiterpartei Deutschlands (SAP) beteiligt. Rudolf Steiner hat später jahrelang an der von Wilhelm Liebknecht gegründeten Arbeiterbildungsschule in Berlin unterrichtet, weil er empfand, daß nur ein neuer geistiger Aufbruch die sozialen Probleme wirklich lösen könnte. Ein freies Geistesleben zu schaffen, daß sich gleichberechtigt neben Staat und Wirtschaft hinstellt, war ihm tiefstes Anliegen. In "Mein Lebensgang" erzählt Rudolf Steiner über diese Zeit:

"Dazu kam, daß sich damals in der Arbeiterschaft ein Eifer nach wissenschaftlicher Bildung seit lange entwickelt hatte. Aber der konnte nur in der populären materialistisch-wissenschaftlichen Literatur befriedigt werden. Denn nur diese Literatur traf eben auf die Begriffs- und Urteilsformen der Arbeiter auf. Was nicht materialistisch war, war so geschrieben, daß ein Verständnis für den Arbeiter unmöglich war. So kam die unsäglich tragische Tatsache, daß, als das werdende Proletariat mit höchster Sehnsucht nach Erkenntnis begehrte, ihm diese nur mit dem gröbsten Materialismus befriedigt wurde.

Man muß bedenken, daß in dem wirtschaftlichen Materialismus, den die Arbeiter durch den Marxismus als «materialistische Geschichte» in sich aufnehmen, Teilwahrheiten stecken. Und daß diese Teilwahrheiten gerade das sind, was sie leicht verstehen. Hätte ich daher mit völligem Außerachtlassen dieser Teilwahrheiten idealistische Geschichte gelehrt, man hätte in den materialistischen Teilwahrheiten ganz unwillkürlich das empfunden, was von meinem Vortrage zurückstieß.

Ich ging deshalb von einer auch für meine Zuhörer zu begreifenden Wahrheit aus. Ich zeigte, wie bis zum sechzehnten Jahrhundert von einer Herrschaft der wirtschaftlichen Kräfte, so wie dies Marx tut, zu sprechen, ein Unding sei. Wie vom sechzehnten Jahrhundert an die Wirtschaft erst in Verhältnisse einrückt, die man marxistisch fassen kann; wie dieser Vorgang dann im neunzehnten Jahrhundert seinen Höhepunkt erlangt.

So war es möglich, für die vorangehenden Zeitalter der Geschichte die ideell-geistigen Impulse ganz sachgemäß zu besprechen und zu zeigen, wie diese in der neuesten Zeit schwach geworden sind gegenüber den materiell-wirtschaftlichen.

Die Arbeiter bekamen auf diese Art Vorstellungen von den Erkenntnisfähigkeiten, den religiösen, den künstlerischen, den sittlichen Triebkräften in der Geschichte und kamen davon ab, diese nur als «Ideologie» anzusehen. Dabei polemisch gegen den Materialismus zu werden, hätte gar keinen Sinn gehabt; ich mußte aus dem Materialismus heraus den Idealismus erstehen lassen."

In Leipzig heiratete Petzolds Vater die Tochter des Schuhmachermeisters Gundlach aus Freiburg an der Unstrut, die als Köchin bei einem Leipziger Buchhändler diente. Im Elternhaus von Petzolds Mutter hielt man ganz besonders Schillers Gedichte in hohen Ehren und die Großmutter mütterlicherseits las den Kindern immer wieder aus einem kleinen alten Büchlein in Goldschnitt und mit schwarzer Titelpressung vor. Der Großvater hatte sein Handwerk in Jena erlernt, als Schiller dort Professor war und hat "dem berühmten Dichter manches Paar Schuhe geflickt und neue Stiefel in dessen Haus am Marktplatz gebracht".

Petzolds Eltern eröffneten ein kleines Gasthaus in einem Leipziger Vorort, wo sich die sozialistischen Arbeiter des ganzen Bezirkes versammelten. Liebknecht selbst hauste dort selbst monatelang in einer kleinen Kammer unter dem Dach; Flugschriften und Aufrufe wurden verfaßt. Als 1870 der Krieg mit Frankreich ausbrach, kam es zur Leipziger Militätrevolte; Petzold Vater wurde verhaftet und zu fünf Jahren Festung verurteilt. Er wurde nach zwei Jahren begnadigt, nachdem sich die Mutter dem König von Sachsen zu Füßen geworfen und um die Freiheit ihres Gatten gefleht hatte.

Der weitere Lebensweg von Petzolds Vater verlief unstet und wechselhaft, wie es in seiner Natur lag. Er versuchte sich immer wieder in neuen Berufen und Unternehmungen, erwarb sich Wohlstand, verlor wieder alles und hetzte seine Frau von Ort zu Ort, um sich endlich in Wien niederzulassen.

Am 24. September 1882 wurde Alfons Petzold in Rudolfsheim geboren. Schon früh zeigte der Knabe einen Hang zum Sinnieren und Fabulieren – ein Erbteil seiner Mutter. Der Vater hatte dafür keinen Sinn und verbot dem Sohn das Lesen und Dichten, mit "Schwartenschmierern" will er nichts zu tun haben. Doch der schwächliche Knabe konnte zunächst nicht, wie sich das der Vater erhofft hatte, zum Lebensunterhalt der Familie beisteuern. Schließ befiel Petzolds Vater eine schwere Rückenmarkskrankheit, die in völlig erwerbsunfähig machte. Die frühgealterte, stets kränkliche Mutter mußte nun die Familie allein versorgen. Es war ein "rauhes Leben", in das der kleine Alfons Petzold von Anfang an hineingestellt wurde. In seinem autobiographischen Roman "Das rauhe Leben" schrieb er später:

"Es ist der Groll des Mannes in mir, der ein Leben voll Unterdrückung und körperlicher Not hinter sich hat. Und ich grabe in der Vergangenheit mit dem harten scharfen Spaten unerbittlicher Gerechtigkeit eines Menschen, der unverschuldete Demütigungen und zwecklose Mißhandlungen nicht vergessen kann. Und würde ich tausend Jahre alt werden, nie könnte ich das furchtbare Bettelleutesterben meiner Eltern vergessen: der Vater im mittelalterlichen Zwange eines Siechenhauses verkommend – die Mutter auf der Straße beinahe vor Hunger sterbend."

Mit 14 Jahren mußte Petzold die Schule verlassen, um mit seinem überaus kärglichen Verdienst das wenige, das die Mutter zum Lebensunterhalt beitragen konnte, ins Ungenügende zu erhöhen. Er schuftete als Taglöhner, Laufbursche, Drechslergeselle, Bäckerlehrling, Schuhmacherlehrling, Abwaschbursch in einem Gasthaus, als Arbeiter in einer Schachtelfabrik, als Metalldreher, Hilfsarbeiter in einer Färberei, in einer Schokoladenfabrik, in einer Gipsschleiferei und war dazwischen auch Fensterputzer, Flaschenausträger, Handwagenzieher ("Zughund") und Schneeschaufler. Dazwischen erlitt er immer wieder einen völligen körperlichen Zusammenbruch, war ständig unterernährt und verzweifelte beinahe, wenn er wieder einmal arbeitslos wurde. In diesen bitteren Jahren starb ihm der Vater im Siechenhaus und es starb ihm auch seine über alles geliebte Mutter. Ein Aufschrei seiner verwundeten Seele waren die Gedichte, die er nun zu schreiben begann und in denen er Zeugnis ablegte von seiner Not, von seiner Erbitterung und des Zornes über die Grausamkeit des Schicksals und die Gleichgültigkeit der Menschen und eine Gesellschaftsordnung, die solches zuließ. Hier wie nirgends sonst gelten die Worte Josef Weinhebers:

Mit halber Stimme
[Sapphische Strophe]

Nimm des Menschen Dunkelstes: Dies ist ewig.
Nimm aus weher Brust das Verlorne, hauch die
Scham, die Sehnsucht, flüstre das Weinen in die
Stille des Abends,

die Gedanken vor dem Entschlafen; alle
hingehauchten Worte der Herbstnacht, alle
einsam armen Wege, die Trauer und das
Ende der Liebe.

Wie ein Sturm ist menschliches Leid und wie das
ferne Spiel von Harfen; das tiefste aber
ist ein Strom: nicht strömt er von hier, er flutet
inner der Erde.

Nimm das Leid und mach es zum Liede: Welches
Lied ist süßer, welches mit Würde leiser!
Gleich dem wunden Mund der Geliebten, nachher;
oder dem kargen

Lächeln eines Sterbenden. Immer werden
an den Grenzen groß die Gefühle. Denn im
Übergang ist Weihe und Muß und jene
Todkraft des Opfers -:

Bittrer Becher, sei uns gesegnet! Ach, wer
leidet denn genügend – und wer denn wurde
je zu tief gehöhlt, dem die streng gespannte
Saite erbebte?

Petzold war damals noch kaum 20 Jahre alt. Immer wieder beraubte ihn die Arbeitslosigkeit seiner letzten Mittel, die ihm wenigstens eine karge Schlafstätte gesichert hatten. Er suchte Obdachlosenasyle auf, verbrachte die Nächte in Kanälen und nährte sich kümmerlich von Abfällen, die er auf den Märkten sammelte. In seinen politischen und religiösen Vorstellungen vollzog sich innerhalb weniger Jahre ein grundlegender Wandel, der endlich zu jener geistigen Vertiefung führte, die seine Gedichte ahnen lassen. Mütterlicherseits von idealistischer Gesinnung geprägt fühlte er sich zuerst dem christlichsozialen Bekenntnis zugehörig, wurde dann ein Anhänger der Deutschnationalen und schrieb vaterländisch betonte Gedichte, um sich schließlich, neunzehnjährig, der sozialdemokratischen Jugendbewegung anzuschließen. So spiegelte sich in seinem Seelenleben nicht nur die äußere, sondern vorallem auch die geistige Not seiner Zeit wider. So hart hat ihn das Leben geschmiedet, so heftig hat das Schicksal an ihm gemeißelt, daß man ihn einer abgehobenen kraftlosen und unehrlichen Schöngeistigkeit nicht verdächtigen kann. Wenn Petzold vom Geistigen spricht, dann spricht er von etwas, das ganz real und lebensnah in ihm wirkt und ihm den Mut gab, gegen alle Widerstände aufrecht durchs Leben zu schreiten. Er konnte nicht, wie viele andere, zum heuchlerischen Philister oder zum platten intellektuellen Materialisten werden. Die geistige Not der Zeit haben viele empfunden, aber nur wenige konnten sie wie Petzold durch die schöpferische Fülle ihrer tieferen Seele überwinden.

Als sich Petzold der sozialdemokratischen Jugendbewegung angeschlossen hatte, begeisterten ihn vorallem die revolutionären Gedichte Karl Henckells. In Ottakring war damals das Volksbildungsheim gegründet worden. Hier kam Petzold mit den geistigen Führen der sozialdemokratischen Bewegung zusammen. Um zwanzig Heller wöchentlich entlehnte er aus den Bibliotheken des Volksbildungsvereins all die Bücher, die er für seine geistige Nahrung brauchte. Er beschäftigte sich mit der Naturwissenschaft und Philosophie und mit der neuzeitlichen Literatur und eignete sich so eine umfangreiche Bildung an, wobei ihm seine feine Empfindung half, die Spreu vom Weizen zu trennen, das Echte und Wahre von dem Unbrauchbaren zu scheiden:

Seele, öffne dich weit
Allen Wesen und Dingen,
laß dich von allem durchdringen,
sei wie ein Scheuenentor fröhlich bereit.

Laß Korn und Heu
in dir verschwinden
und merke: auch im dürftigsten Spreu
wirst du noch Gottes Samen finden.

Seele, es gibt ein Haus,
da schaut ein Zöllner heraus.
Was du mit Liebe in dir aufgeschichtet,
er zählt und richtet.

1907 trug Petzold einige seiner Gedichte im Arbeiterbildungsverein Gumpendorf vor. Er war damals schon beinahe am Ende seiner Kräfte angelangt, hatte einen Blutsturz erlitten, als sich das Schicksal des nunmehr 25-jährigen zu wenden begann. Eine zufällig anwesende Dame der Wiener Gesellschaft, Frieda von Meinhart, machte den Burgschauspieler Ferdinand Gregori auf den jungen Arbeiterdichter aufmerksam, und dieser wußte Petzolds Gedichte sofort zu schätzen und nahm sie sofort in seine beliebten und geschätzten Vortragsabende auf. Vorallem aber verschaffte er Petzold einen Freiplatz in der Lungenheilstätte Alland. Hier fand Petzold eine Krankheits- und Lebensgefährtin, heiratete 1911, doch schon nach vier Jahren starb ihm die geliebte Gattin. In dem elegischen Zyklus "Johanna" hat er ihr ein ergreifendes dichterisches Denkmal gesetzt.

SIEHE, GELIEBTE

Siehe, Geliebte, aus meinem Gesicht
leuchtet dein Licht,

in meinen wirkenden Händen schafft
deine Kraft,

was meine Seele an Wundern lebt,
aus dir sich hebt;

und nur mein Herz
mit dem Jubel darin
ist Erz von Erz,
aus dem ich bin!

JOHANNA
I

Ich bin vom Lied das erste Wort,
wer kennt den Ton und seinen Schall?

Du singst ,die ganze Strophe fort
und gibst mir guten Widerhall.

II

Du bist die Sehnsucht
und ihre Erfüllung,
Tiefe der Inbrunst
und ihre Enthüllung.

Du gabst den Wurzeln
Erde zu greifen.
Nun kann ich blühen
und herbstzu reifen.

Zunehmend wurden Petzolds Werke nun veröffentlicht. Die erste Gedichtesammlung "Trotz alledem" erschien 1910 paradoxerweise in Philadelphia. Schon das zweite Buch "Der Ewige und die Stunde" wurde 1912 mit dem Bauernfeldpreis ausgezeichnet. Er fand Freunde unter seinen Dichterkollegen: Henckell, Franz Karl Ginzkey, Altenberg, Felix Braun, Stefan Zweig, Stern. Petzolds bedeutendstes und bekanntestes Prosawerk ist wohl sein autobiographisches Buch "Das rauhe Leben" mit dem Untertitel "Roman eines Menschen". Hier schildert er nicht nur das tragische Lebensschicksal eines völlig auf sich selbst gestellten kranken jungen Menschen, sondern er klagt zugleich in ungeschminkter Offenheit die damaligen sozialen Zustände an und schildert mit liebevoller Einfühlsamkeit das harte Leben der Arbeiterklasse. Petzold lernte tief in die Seelen der Menschen zu schauen und wußte mehr und mehr alle Dinge der Welt um ihrer selbst willen zu würdigen. Indem er so in die Welt schaute, lernte er zugleich sich selbst objektiver zu schauen, und indem er in sich blickte, konnte er sich der Welt mit klarer Objektivität gegenüberstellen. Die Kraft seiner Worte wuchs immer mehr und allmählich gesellte sich auch der Humor dazu, der immer dort zutage tritt, wo einer nach zähem Ringen gelernt hat sich selbst zu überwinden und über seine engen Grenzen hinauszuwachsen. In seinem Roman "Der Pilgerim" (1922) läßt er es Sil, den Wanderer, so sagen:

"Ich bin ein armer Pilger, doch meine Seele ist reich an Weisheit, die auf allen Straßen liegt. Ich habe aller Wesen Geheimnis erforscht und spreche mit dem Stein und dem Baum wie mit euch. Ich hörte auf das Gebrüll des Tigers im Dschungel und machte meine Sinne reich mir seiner Weisheit. Die Farbe der Blüte füllte mein Denken mit neuen Bildern und begriffen. Schauen und Hören gibt uns Wahrheit, macht uns reich an Liebe, gibt uns die starke Güte."

Acht schaffensreiche, friedliche und erfolgreiche Jahre waren Petzold nach dem frühen Tod seiner ersten Gattin geschenkt. 1915 verehelichte er sich mit Hedwig Gamillscheg, die zu seiner feinfühligen geistigen Begleiterin wurde. Die Familie übersiedelte 1917 nach Kitzbühl, wo den beiden drei Kinder geboren wurden. Petzold war hier bis zu seinem Tod als sozialdemokratischer Gemeinderat tätig.

Im Winter 1923 zog sich Petzold eine schwere Grippe zu, der er am 26. Jänner jenes Jahres erlag. Aus dem Dämmerdunkel seiner tragischen Jugendzeit hatte er sich nun vollends zum klaren Licht des Sternenhimmels erhoben:

Aus der Erde Schmutz und Not
Steig ich Menschenknecht,
setz‘ mich in das Sternenboot
reisefroh zurecht.

Laß das Steuer gradaus stehn;
weiß ich doch zur Zeit:
alle, alle Winde wehn,
hin zur Ewigkeit.

Mit seiner 1968 verstorbenen Gattin Hedwig ruht er in einem Ehrengrab am Kitzbühler Friedhof.

WENN EIN DICHTER STIRBT

Wenn ein Dichter stirbt, was wird da geschehen?
Vögel, die nie sangen, werden plötzlich singen.
Die den Boden liebten, sich zur Höhe schwingen,
um ihn einmal, einmal noch zu sehen.

Alle Blumen werden Duft und Leuchten senden
auf zum Himmel, wo er Gott zuschwebt,
daß er einmal noch den Tag erlebt,
wo ihr Rausch ihm segnete die Lenden.

Und die Winde werden jubeln mit Gebrause,
jubeln, daß er endlich kam nach Hause!

 

Home Suchen Vorträge Veranstaltungen Adressen Bücher Link hinzufügen
Diese Seite als PDF drucken Wolfgang Peter, Ketzergasse 261/3, A-2380 Perchtoldsdorf, Tel/Fax: +43-1-86 59 103, Mobil: +43-676-9 414 616 
www.anthroposophie.net       Impressum       Email: Wolfgang.PETER@anthroposophie.net
Free counter and web stats