Forum für Anthroposophie, Waldorfpädagogik und Goetheanistische Naturwissenschaft
Home
 
Home


Home
Suchen
Vorträge
Rudolf Steiner

Veranstaltungen

Service-Seiten

Adressen
Ausbildung


Bücher
Bibliothek
Links

Link hinzufügen
Stellenangebote

FTP Download

Impressum

Email
http://bibliothek.anthroposophie.net

Alfons Petzold

Pfad aus der Dämmerung

eine Auswahl

Alfons Petzolds Leben

 

DER VOLKSDICHTER

Verlorenes Land hab' ich gesehn,
vergessene Menschen darüber gehn,
es sprang mein Herz in die Weiten,
ich mußte mit ihnen schreiten.

Ich band den Schritt an ihren Schritt,
nahm ihre Last am Rücken mit
und mochte mit ihren Augen
das Bild der Welt einsaugen.

Fühlt' ihre Liebe, litt ihre Not,
trank ihren Schweiß und aß ihr Brot.
Heim trug ich als herrlichste Beute
das Dasein der einfachen Leute.

Ihr vieles Dunkel, ihr wenig Licht
formte die Seele zum Gedicht.
Drauß' singt die Näh‘ und Ferne
und Himmel, Gott, Sonne und Sterne.

 

 

DIE TEILNAHMSLOSEN

Da stehen sie und regen schwer die Glieder
in den durchdampften Räumen der Fabrik.
Ein jeder senkt auf seine Arbeit nieder
den noterstarrten, teilnahmslosen Blick.

Sie sind nicht Menschen mehr, sind nur Maschinen,
die in dem vorgeschriebnen Stundenkreis
sich drehen müssen, ohne daß von ihnen
nur einer seine Kraft zu schätzen weiß.

Sie können nimmer ihre Hände spannen
nach ihrer Tage mühevollem Tun
um eigne Werke; was sie je begannen,
muß halb vollendet tot im Dunkel ruhn.

Sie schaffen abertausend Gegenstände,
sie machen viele Dinge stark und groß;
doch ist nicht Gott im Regen ihrer Hände,
und was von ihnen kommt, ist seelenlos.

 

DIE DINGE UND WIR

Wir werden immer kleiner vor den Dingen,
schon ragen sie hoch über uns empor.
Wir können nimmer ihr Bewußtsein zwingen,
demütig opfernd sich uns darzubringen,
weil unser Herz dazu die Kraft verlor.

Wir haben zu viel Haß und Mißvergnügen
bei ihrem Werden in sie eingesenkt.
Sie wuchsen aus dem Sumpfe unsrer Lügen
und wurden, um die ändern zu betrügen,
von uns zumeist mit falschem Kram behängt.

Und viele formten wir, daß sie Verderben
und Elend gaben, wenn sie ausgestellt;
wir mochten Qual und Tod in sie verkerben,
so daß aus ihnen oft ein reiches Sterben
mit Spinnenfüßen jagte durch die Welt.

So richten sie sich auf und werden mächtig,
sind nicht mehr menschenblind, nicht stumm und taub;
sie machen uns die hellsten Tage nächtig,
sind alles bösen Unheils überträchtig

und drücken uns, die Schöpfer, in den Staub.

 

DER KRANKE

0 Schicksal, tief in Not
des kranken Körpers liegen,
indes im Sommer wiegen
sich Blumen, weiß und rot.

Die graue Lerche steigt
austönend immer höher,
mein Herz, der arme Späher,
liegt leidvoll da und schweigt.

Der Schatten, den ein Baum
hinwirft vor meinen Fenstern,
erfüllet mit Gespenstern
des kalten Zimmers Raum.

Die bücken sich zu mir
herab und fragen, klagen —
ich hör' die Leute sagen,
der Kranke redet irr.

Und nachts, da steigt der Mond
herein mit schweren Lasten
und zimmert einen Kasten,
darin Verwesung wohnt.

Bei jedem Hammerschlag
aufzucken wild die Sterne,
ein Hund heult in der Ferne —
mein Gott, wann kommt der Tag;

 

DER EGOIST

Es bleibt sich immer nur ein enger Kreis,
der seine Kraft in sich hinein verschwendet,
ein jedes Dasein gibt ihm den Beweis:
die Menge ist es, die das Große schändet.

Der Weg in einen fremden Schicksalsraum
verrannte ihm sein stolzer Eigenwille,
so blieb er furchttot wie ein dürrer Baum
und schafft um sich nur eines: kalte Stille.

Greift eines Menschen Hand nach ihm, dann häuft
er Stein und Stein um sich im engen Kreise,
und wenn ein Tropfen Liebe auf ihn träuft,
wischt er ihn weg und lacht verächtlich leise.

Und ahnt nicht, daß er immer mehr und mehr
sich seiner selbst entfernt und nachtzu wendet,
worin die Seele licht- und liebesleer
auf ihrem selbsterhöhten Kreuze endet.

 

DER KORBFLECHTER

Erst klopfe ich die rauhe Rinde
herab vom Weidenstammgezweige,
daß sich das fertige Gebinde
den Blicken weiß und glänzend zeige.

Dann fügt sich unter meinen Händen
das gute Holz so wie das schlechte,
wenn ich es ,mit den harten Enden
verbinden muß zum Korbgeflechte.

Die feinen Ruten flach gezogen,
ich muß sie auseinanderlenken,
auf daß sie im gespannten Bogen
sich um so inniger verschränken.

Und will mir eine Rute streben
aus des Geflechtes festen Gängen,
so muß ich sie — wie mich das Leben —
mit sichrem Griffe niederzwängen.

 

 

DER SCHMIED

Ich forme meine Hände schalenrund
und fange Tau im Morgen auf —,
wie lechzt danach mein Mund!

Die Nacht gab mir nur sehnsuchtheiße Glut,
im Herzen rauscht mir Feuer auf,
brennende Fackeln trägt mein Blut.

Ich überleuchte all mein armes Tun,
ich muß in Flammen schaffend stehn
und muß in Flammen ruhn.

Und keine Kühle birgt für mich der Tag,
ich bin ein ewig glühender Stahl,
ein ewig sprühender Hammerschlag.

 

DER GRUBENARBEITER

'Wenn mein Fäustel in die Felsnacht dringt
und die Flamme aus der Tiefe sprengt,
hört mein Herz, wie einst die Erde singt,
meine Erde, die das Brot mir schenkt:

Heller Bruder, meine Dunkelheit
hält die Kohle, die dein Arm befreit,
die mit ihrer frohen Glut und Kraft
Licht und Wärme deinem Leben schafft.

Sinnbild deines Daseins ist mein Schacht,
denn auch du bist Fels und schwere Nacht,
die in ihrem tiefen Dunkel hält
Licht und Wärme für die neue Welt.

 

DER WACHENDE

Mensch, der du gehst im abendlichen Dämmer
mit einer tagemüden Seele hin,
du achtest nicht des Schlages meiner Hämmer,
der ich noch tief im harten Werke bin.

Du schmiegst dich in das Flaumenspiel der Betten
wie einer Mutter wohlbehütet Kind,
indes ich feile an dem Stahl der Ketten,
die von der starken Zeit geschmiedet sind.

Du schlummerst ein, um deinen Körper faltet
sich seidenweich das dunkle Tuch der Nacht,
es kommt der Traum, und was er dir gestaltet,
dich einem Gott der Fabel ähnlich macht.

Ich aber wache, feile, hämmre, schmiede —
es klirrt der Hammer und es ächzt der Stein —
und singe mir mit diesem hellen Liede
den nahen Morgen meiner Menschheit ein.

 

DER BRUDER

Du, dessen brennender Sehnsuchtsblick
flammt über Elend und Plage,
du bist mit dem mir gleichen Geschick
mein Bruder im Werkeltage.

Du, dem Erfüllung kündet sein Blick,
dem ein Jauchzen singt aus dem Munde,
du bist mit dem mir gleichen Geschick
mein Bruder in nächtlicher Stunde.

 

GROSSSTADTHIMMEL

Großstadthof und Großstadthaus,
grau die Höh' und grau die Breite,
aber drüber weit hinaus eine ungeheure Weite.

Sinnbild meiner Leidenschaft:
grau mein Wirken, grau mein Leben,
aber über ihm die Kraft,
gänzlich sich der Welt zu geben.

 

MEIN HEISSES HERZ ...

Mein heißes Herz, du ewig unruhvolles,
was stehst du in der Schwermut Mauerung ?
Nun sei ein Ende alles alten Grolles,
alles um dich ist sommerstark und jung.

Was deiner Jugend finstere Gewalten
in schwerer Trauer über dich vermocht —
jetzt, wo der Liebe Pulsschlag in dir pocht,
mußt du das Dunkle lichtvoll dir gestalten.

Laß Blut der Sonne durch die Kammern fließen,
nimm alles Weltglück als dein Erbe hin —
im wissenden Berauschen und Genießen
liegt eines Menschenlebens tiefster Sinn.

 

 

MEINER MUTTER

Du lehrtest mich, aus dem Geschick
der Armut mich emporzurichten,
und daß nur dem wird großes Glück.
der auf das Kleinste kann verzichten

Und diese stille Lehre gab
mir jenes lächelnde Bescheiden,
das mir ein guter Wanderstab
war auf der Straße meiner Leiden.

 

DIE DINGE UND ICH

Ich möchte so sein, daß ich aller Dinge
urtiefsten Sinn mit klarem Blick erspähe,
daß ich erkenn', in welche Gottesnähe
sie alle streben aus dem Daseinsringe.

Denn ich weiß wohl: so wie sie sich dem Blicke
des einen zeigen, geben sie sich nicht
dem andern preis, und tausende Geschicke
durchleben sie vor Gottes Angesicht.

Und welches Bild von ihnen ist das wahre ?
so grüble ich durch lange, schwere Stunden,
denn find' ich dieses, hab' ich auch das klare
Bild meines eignen dunklen Ichs gefunden.

 

 

LIED IM WIND

Mein Leben ist ein leises Lied im Wind.
Ich töne wohl in euren breiten Gassen;
doch weil sie lautem Lärm verfallen sind,
kann euer Herz mich nimmer fassen.
Nur hin und wieder horcht ein Sonntagskind,
fängt auf mein Lied und will es nimmer lassen,
singt es mit mir hinein in Sturm und Wind
und trägt mit mir die Liebe in das Hassen.

 

EINS MIT DER ERDE

Ich will ein Ganzes sein mit dieser Erde,
auf ihren Straßen nicht als Fremdling gehen –
was nützt mir meine göttliche Gebärde,
muß ich mich kleiner als das Saatkorn sehn.

Drum will ich mich mit allen Bäumen heben
zur Höhe auf und mit dem kalten Stein
dem Boden unter mir die Stärke geben,
mit allen Flügeln durch die Lüfte schweben
und mit dem kleinsten und dem größten Leben
verbunden sein.

 

 

STROPHEN IM FRÜHLING

Die Mandelbäume stehen schwer bereift
vom Blütenschnee und wissen kaum zu tragen
die holde Last, in die mein Schauen greift;
ich muß ganz leise, leise: Frühling! sagen,
wohl hundertmal des Tages vor mich hin,
muß der Getreuen diese Wunder zeigen
und dann in ihren Armen ruhn und schweigen,
weil ich der Bäume blühender Bruder bin.

Ich geh' durch diesen Frühling, wie ein Traum
durch eine Welt geht, schwebend, unbeschwert.
Ich fühle keine Zeit und keinen Raum
und weiß nur eines: daß mich jeder Baum
zu meinem alten Kindergott bekehrt.

Ihr wißt es nicht, was das für Tage sind,
sonst würdet ihr nicht wie die Blinden gehen,
vielmehr doch wie ein tieferstauntes Kind
vor diesen hochzeitlichen Dingen stehen.
Laßt die Geschäfte in den Stuben sein,
nehmt Hut und Stock, erhebt den Blick zum Himmel
und reitet mit auf goldschabracktem Schimmel
in dieses Frühlingsmärchenland hinein.

 

 

OHNE SCHWERE

Was mit Flügel, Fuß und Flosse
sich um mich bewegt,
nenn' ich alles Weggenosse
frühlingsfroh erregt.

Dort die blühende Kamille
atmet meine Freude aus,
mit der braunen Maulwurfsgrille
geige ich zum Abendschmaus.

In dem Bunt der Mädchenkränze
blühet mit mein Knabenherz,
in dem Schwung der Faltertänze
drehe ich mich himmelwärts.

 

 

DER GENESENDE

Den Liegestuhl hinausgeschoben
an des Balkons durchbrochne Gitterwand,
seh' ich vor mir das frohe Menschenland,
von meinem Blick zu mir heraufgehoben.

Im Schatten dämmert hinter mir der Raum,
in dem ich nachts die schwarzen Stunden fasse
und langsam in den tiefen Brunnen Traum
die not- und angstbeschwerten fallen lasse.

Nun schau' ich, licht- und glückbeschwertes Kind,
den Tag und seine hellen Gegenstände,
geputzte Mädchen, schöne Damenhände
ganz nahe meinen müden Augen sind.

Und eine ferne Wiese licht und grün
stell' ich mir her auf meine Krankendecke
und lass' die Blumen ihre Düfte sprühn,
bis in des grauen Zimmers fernste Ecke.

 

 

DIE LINDE

Gesät von einem Winde,
der ihren Samen einst verlor,
strebt eine junge Linde
aus dunklem Grund hervor.

Der Erde Muttergüte
betreute sie so lieb und bang,
bis daß die erste Blüte
aus ihrem Leibe sprang.

Wie sie nun breit ausladet
ihr goldig blühendes Geäst,
steht sie von Gott begnadet
im Leben stark und fest.

0 Erde, liebe Erde,
mach mich der jungen Erde gleich,
die liebe Seele werde
wie sie so blütenreich!

 

 

SCHÖNER TAG

Schöner Tag, durch goldene Siebe
fließt der Sphären Wein. —
Alle Klarheit, alle Liebe
und das Licht ist mein.

Heilig zieht mir unbeschränkte
Andacht durch den Sinn,
denn du stellst die unverhängte
Ferne vor mich hin.

Schöner Tag, laß mich erfassen,
was du mir gebracht — — —
Hinter mir aus dunklen Gassen
Schlürft die Botin Nacht.

 

DIE ABENDWOLKE

Selig bist du, o rötlicher Hauch,
der du am Abend über dem sommernden Himmel schwebst.
Du kommst aus dem glühenden Herzen der Sonne
und gehst in den kühlen Frieden der Sterne ein.

Wenn schon allen die Hand vom Werke fiel,
ziehst du noch lächelnd dahin, im Schauen der ruhenden Erde,
nimmst aus den Hütten und Häusern der Kinder Gebet
und das sehnsüchtig schwärmende Lied der Liebenden auf.

Voll dieser köstlichen Fracht schwebst du dahin,
von den Rosen der himmlischen Gärten über und über geschmückt,
fröhlich erwartet von silbernen Fahnen und Wimpeln
im Hafen der Sterne.

 

 

ABENDLICHE STILLE

Leiser schwebt alles dahin,
seitdem das Dunkel gekommen
über der Bösen und Frommen
Tagesgewinn.

Wieder zum kindlichen Tun
wird alles Handeln im Ringe,
und es wollen die Dinge
wie Menschen ruhn.

Siehe, die Gasse ist stumm,
redet nicht mehr wie am Tage,
und alle Lust, alle Plage
schlummert ringsum.

Ganz vom Unendlichen schwer
steht nun die Luft vor dem Hause,
oben im Sternengebrause
nächtigt der Herr.

 

 

VOR DEM SCHLAFENGEHEN

Licht in der Lampe, leise dreht
mein Finger an dem Hahn:
Verlösche, denn es ist schon spät,
ein silberweißes Segel
weht auf meines Schlafes Kahn.

Und nimm mit deinem letzten Strahl
von mir, was mich bedrückt;
du zuckst, es zuckt auch meine Qual —

und auf einmal
ist alles still in mir und traumbeglückt.

 

AN EINE AMSEL

Schwarzer Vogel, unscheinbarer,
oh, wie dank' ich dir,
tönt dein Singen immer klarer
werdend über mir.

Als die Uhr der Abendstunde
gibt dein Amselherz
allen Trauernden der Runde
Ruhe ihrem Schmerz.

Wenn auf Busch und Baum und Seele
trüber Dämmer fällt,
lobst du mit beglückter Kehle
die entschlafne Welt.

So viel Trost im dunklen Grame
schenkt kein Herz wohl hin,
so wie deines,
wundersame Nachtverkünderin.

 

 

AN EINEM ABEND

Der Sonne goldne Glockenhämmer
beenden ihren letzten stolzen Reim.
Da zieht der Tag und seine Wolkenlämmer
die blaue Straße durch den Abenddämmer
zur horizontnen Hürde ein.

Auf der geschweiften Hügelnase,
im Astwerk einer Esche sitzt ein Mann;
der bläst aus einem grünen Riesenglase
zur dunklen Höhe eine Seitenblase —
ein bleicher Mond steigt himmelan.

Das Violette einer Stunde
dem satten Schwarz verkohlter Rinde gleicht.
Nachtluft hängt kühl an meinem Munde,
aus fernem Nachtkonzert der Bauernhunde
ein Name hell herüberstreicht.

 

 

ABEND IM WALDE

Das letzte flimmernde Geleuchte
der Sonne auf den Wäldern ruht,
indes die kühle Abendfeuchte
silbern entsteigt des Weihers Flut.

Die Schatten an dem Rand des Teiches
in ihrem feinen, zarten Strich,
die haben etwas Mädchenweiches
und seltsam Huschendes an sich.

Und nicht das leiseste Gezitter
geht durch die Bäume ringsumher,
die stehen wie versteinte Ritter,
moosüberwuchcrt, lebensschwer.

Sie träumen von vergangenen Zeiten
und schauen wipfelfromm empor
zum Himmel, wo die Sterne schreiten
gelassen aus dem blauen Tor.

 

 

IN EINER MONDNACHT BEI MÖDLING

Der Mond glänzt in des Himmels Schale
gleich einem Tropfen goldnen Weins;
es tanzt mit silberner Sandale
ein Stern im Rausche seines Scheins.

Mattschimmerndem Opale ähnlich
glänzt hie und da ein Schindelblatt,
und märchenprächtig, ungewöhnlich,
ruht sie vor mir, die kleine Stadt.

 

 

DER EWIGE BECHER

Deine Liebe ist ein Becher,
gefüllt mit edlem Wein.
Ich will der ewig trunkne Zecher
sein.

Ich trinke alle Nächte, alle Tage
und halte einsam fröhliche Gelage,
mein Mundschenk ist die Sehnsucht tief in mir
nach dir!

 

GLÜCKLICHE SEELE

Singt eine Amsel im Eschenbaum
vor meinem Fenster süß und berückend alle Tage.
Es ist wohl eine verwunschene Frau.
In ihrem Gesang kommt eine Strophe vor
von einem Eisbärfell und schimmernder Ampel,
die zweier Menschen opferndes Glück bescheint.
Wache, o glückliche Seele!

Reicht eine Wiese von mir bis an das Ende der Welt,
übersät von den Feuerblumen der Liebe.
Wandert ein Weib zwischen mir und den Blüten
immer einher, um mir das Leben zu füllen
mit dem duftigen Rausch. Ich atme den Himmel,
seine Sonne, die Sterne, die Erde ein.
Wache, o glückliche Seele!

 

SIEHE, GELIEBTE

Siehe, Geliebte, aus meinem Gesicht
leuchtet dein Licht,

in meinen wirkenden Händen schafft
deine Kraft,

was meine Seele an Wundern lebt,
aus dir sich hebt;

und nur mein Herz
mit dem Jubel darin
ist Erz von Erz,
aus dem ich bin!

 

JOHANNA

I
Ich bin vom Lied das erste Wort,
wer kennt den Ton und seinen Schall?

Du singst ,die ganze Strophe fort
und gibst mir guten Widerhall.

II
Du bist die Sehnsucht
und ihre Erfüllung,
Tiefe der Inbrunst
und ihre Enthüllung.

Du gabst den. Wurzeln
Erde zu greifen.
Nun kann ich blühen
und herbstzu reifen.

 

DER HEILIGE BRUNNEN

Ein tiefer Brunnen geht
bis an das Herz der Welt.
Der Erde Leid verweht
an diesem heil'gen Born.
Wo immer nur der Strahl
von seinem Wasser fällt,
da wird das Land zumal
gar reich an Frucht und Korn.

Nur Freude steigt empor
aus seinem Gottesschacht,
sein goldnes Quellentor
umrahmt ein Sternenkranz.
Und wer die Sterne sieht
in ihrer frohen Pracht,
dem ist die Welt ein Lied,
das Leben selbst ein Tanz.

Die Sonne ist der Born,
halt an und gönn dir Rast,
daß all dein Haß und Zorn
aus deinem Herzen fällt.
In ihre helle Flut
versenk dein bißchen Last
und schreite neugemut
und rüstig in die Welt.

 

DAS BERGHAUS

Steht ein Haus hoch oben,
mitten in Fels und Bruch;
eine Wolke hat sich vorgeschoben
und kündet den Spruch:

Ich bin die Stunde,
du das Haus.
Spähe aus grauem Grunde
weit über mich hinaus.

Was meine Ränder fassen,
deckt nur ein kleines Feld, aber dein Lieben und Hassen
begrenze die Welt!

 

 

DAS HOHE LEUCHTEN

Wer ist auf dieser Erde mir nicht fremd
und kann so ganz mein kleines Dasein deuten?
Wer hört, von keinem Mauerring gehemmt,
die helle Glocke meiner Seele läuten ?

Mein Wandern durch den Tag und durch die Nacht
ist einsam sehr, soviel ich mich auch mühe,
daß mir ein zweites Licht entgegenfacht
und mit dem meinen froh in einem glühe.

Ja, viele Menschen stehen da und dort
und schauen auf bei meinem starken Schreiten
und sprechen manchmal auch ein grüßend Wort,
doch ist dies voll versteckter Heimlichkeiten.

Und ängstlich hüten sie ihr Pünktchen Licht,
verschließen es mit ihrer Hände Hüllen,
aus denen nie das hohe Leuchten bricht,
um alle Straßen dieser Welt zu füllen.

Doch werden einmal alle Hände sich
zu einer liebesschweren Hand verschlingen
und alle Wesen zu dem letzten Ich,
zu Gott in letzter frommer Einheit dringen.

 

DER GAST

Erhebendes Gefühl: Hier saß ein Gast,
aß von dem Fleisch und Brot, das ich ihm reichte,
und gab vielleicht in einer stillen Beichte
mir einen Teil von seines Lebens Last.

Er ist in allem, was er angefaßt,
sein Atem streicht mir noch um Stirn und Wangen,
und nur sein Körper ist von hier gegangen,
doch denkt auch der zurück an diese Rast.

Es wird'geschehen, daß nach Tag und Jahr
die Hand ein Buch berührt, das er gelesen,
und so wie gestern sein Geschick und Wesen
mir bildhaft wird und jeder Ferne bar.

Und daß ich dann im Glück des Wissens bin:
dies Dasein ist ein ewiges Umschlingen
und ein zutiefst in alles Fremde Dringen
auf unsrer Wanderschaft zur Gottheit hin.

 

IN EINER KLOSTERBIBLIOTHEK

Die kühle Sattheit gelber Greisenhände
ruht hier auf allem, was das Auge faßt.
Die ungefügig schweren Gegenstände
mit ihrem abgegriffenen Gerände
umstehen möncheernst den Gast.

Nur einer Totenmaske Gipsprofil
hebt sich vom dunklen Wandbezug und lauert
mit einem hohnvereisten Lächelspiel
auf den, der hier vor Büchern kauert
und mit zwei Fragen seinen Geist ummauert:
"Was ist der Anfang, und was ist das Ziel ?"

 

ERSCHEINUNG

Es trat an mich heran,
ernst, dunkel und kalt
wie eine ruhige Winternacht,
eine hohe Gestalt,
nur ihre Stimme klang frauenhell.

Aus ihren verschleierten Händen
fiel Erde auf mein Kleid,
aus ihrem Munde wehte himmlische Stille,
die ihre Worte nicht zerbrachen.

Lange stand sie bei mir,
sprach seltene Dinge,
heilig und voll der Gräber Weisheit;
aber je weiter der Morgen durch die Gasse kam,
auf mein schlafendes Haus zu,
verblich vor meinen Augen die Gestalt.

Andächtig grüßte ich Sonne und Morgenrot,
den nahen Wald,
die schwindenden Sterne
und den in silberner Ferne
hinwandelnden Tod.

 

 

DEN TOTEN

Ihr, die ihr dem Tier entflohen,
den engen Dörfern und Städten der Erde,
der Massen stinkendes Gefühl verließet
oder die frierenden Nöte der Einsamkeit,
ihr seid in Chöre gehüllt,
in Licht und Glanz der Gestirne.

Ich sehe euch,
taumelnd durch die Bläue des Nichts,
lachend allerletzte Himmel erstürmen.
Morgenröte in den Händen,
winkt ihr mir,
dem Knecht des irdischen Hauses,
die Grüße der Götter zu.
Mit den Sternen,
den strahlendsten Priesterinnen,
wandelt ihr um das ewige Feuer der Sonne.
Oder ihr jagt auf den Schimmeln der Ewigkeit
kleinen furchtsam fliehenden Wolken nach.

Nicht lastet mehr Nacht und Buße auf euren Schultern,
und nimmer drückt Tag und Geständnis
euer Gesicht in den Staub.
Euch reißt nicht mehr Sehnsucht
die Blicke schmerzhaft empor.
Denn eure Füße berühren
die Fliesen der Ewigkeit.

 

 

MEINE MUTTER

Wieviel Tage und Nächte
werden noch vergehn,
bis ich wieder werde
meine Mutter sehn ?

Bis ich wieder höre
ihre Stimme lind:
"Hast du heimgefunden,
so wie ich, mein Kind ?

Schau, mein Bub, ich habe
schon dein Bett gemacht,
gleich an meiner Seite
rechts im Armenschacht.

Rück mit deinem Sarge
fest an mich heran,
daß ich, Bub, des öftern
nach dir sehen kann."

 

 

ICH SINGE LOB DER ERDE

Schön ist die Erde!
Erhebend das Wissen, auf ihrer Fläche zu stehen,
und nichts kann erniedrigen
das hohe Gefühl meiner Seele, in einem Menschen zu wohnen.
Wohl ist gewaltig des Himmels wolkenbefahrenes Meer
mit seinen silbernen Inseln, den Sternen,
auf denen die Götter der Sage,
die Helden der Märchen wohnen,
und wundervoll glänzen die goldenen Dächer der Sonne,
der Burg Gottes,
in der durch diamantene Hallen
die Seligen wandeln.
Doch stünde ich oben zwischen den Göttern und Geistern,
im Ohr der Engel Posaunenmusik
und den seraphischen Gesang,
getränkt mit den bittersten Erfahrungen
aller bisher verstorbenen Brüder und Schwestern,
und sähe ich tief unter mir atmen und beben
die schweigsam liebenden Wälder,
die Horizonte stützenden Ebenen,
die Städte, des schäumenden Lebens voll,
das wuchtige Strömen der Flüsse,
das Donnergewoge der Meere,
die Stätten der keuchenden Arbeit,
die Berge, Quellen, zuckenden Tiergestalten
und mitten darunter den kämpfenden, leidenden,
aber doch aufrechten Menschen,
ich verginge vor Sehnsucht im Reich der Verklärten
nach der schönen Lust und Qual
meiner Erde.

 

 

ICH BIN DIE WELT

Der Erde Dasein ist in mir begründet,
ich bin ihr Raum und bin auch ihre Zeit,
und was der Tag an Kraft in mir entzündet,
das nimmt sie auf in ihre Ewigkeit.

Ich bin die Welt, in meinem Pulsgetriebe
sagt dies mir laut und deutlich jeder Schlag,
und was mich ewig macht, das ist die Liebe,
mit der ein Gott erschuf den ersten Tag.

 

 

HEIMFAHRT

Nun hab' ich bald gedichtet
den allerletzten Reim,
und meine Seele lichtet
die Anker und kehrt heim.

Im Sturm und Braus der Wogen,
im Wirbel mancher Flut
bin ich hindurchgezogen
und hielt mein Schiffchen gut.

Mein Steuer wollte halten
den Wogen nimmer stand,
sein Kiel schon wollt' zerspalten
an manchem rauhen Strand.

Da sah ich abwärts sinken
vom Mast ein licht Geflirr,
und Wunder: ich sah winken
das freie Meer vor mir.

 

WENN EIN DICHTER STIRBT

Wenn ein Dichter stirbt, was wird da geschehen?
Vögel, die nie sangen, werden plötzlich singen.
Die den Boden liebten, sich zur Höhe schwingen,
um ihn einmal, einmal noch zu sehen.

Alle Blumen werden Duft und Leuchten senden
auf zum Himmel, wo er Gott zuschwebt,
daß er einmal noch den Tag erlebt,
wo ihr Rausch ihm segnete die Lenden.

Und die Winde werden jubeln mit Gebrause,
jubeln, daß er endlich kam nach Hause!
 

 

Home Suchen Vorträge Veranstaltungen Adressen Bücher Link hinzufügen
Diese Seite als PDF drucken Wolfgang Peter, Ketzergasse 261/3, A-2380 Perchtoldsdorf, Tel/Fax: +43-1-86 59 103, Mobil: +43-676-9 414 616 
www.anthroposophie.net       Impressum       Email: Wolfgang.PETER@anthroposophie.net
Free counter and web stats