Forum für Anthroposophie, Waldorfpädagogik und Goetheanistische Naturwissenschaft
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AUSKLANG

Zwei und ein halbes Jahrhundert sind nahezu verflossen, seit Angelus Silesius in seinem «Cherubinischen Wandersmann» die tiefe Weisheit seiner Vorgänger gesammelt hat. Reiche Einsichten in die Natur haben diese Jahrhunderte gebracht. Goethe hat der Naturwissenschaft eine große Perspektive eröffnet. Er suchte die ewigen, ehernen Gesetze des Naturwirkens bis zu dem Gipfel zu verfolgen, wo sie den Menschen mit ebensolcher Notwendigkeit entstehen lassen, wie sie auf unterer Stufe den Stein hervorbringen (vgl. mein Buch: «Goethes Weltanschauung»). Lamarck, Darwin, Haeckel u. a. haben im Sinne dieser Vorstellungsart weiter gewirkt. Die «Frage aller Fragen», die nach dem natürlichen Ursprung des Menschen, hat im neunzehnten Jahrhundert ihre Antwort erfahren. Andere sich daran schließende Aufgaben im Reiche der natürlichen Vorgänge haben ihre Lösungen gefunden. Man begreift es heute, daß man aus dem Reiche des Tatsächlichen und Sinnlichen nicht herauszutreten braucht, wenn man die Stufenreihe der Wesen, bis herauf zum Menschen, in ihrer Entwickelung rein natürlich verstehen will. - Und auch in das Wesen des menschlichen «Ich» hat der Scharfsinn J. G. Fichtes geleuchtet und der menschlichen Seele gezeigt, wo sie sich suchen soll und was sie ist (vgl. oben, S. 17 , und den Abschnitt über Fichte in meinem Buche: «Welt- und Lebensanschauungen im neunzehnten Jahrhundert», in Neuausgabe als «Rätsel der Philosophie»). Hegel hat das Reich des Gedankens über alle Gebiete des Seins ausgedehnt, und das äußere sinnliche Naturdasein ebenso wie die höchsten Schöpfungen des Menschengeistes in ihrer Gesetzmäßigkeit denkend zu erfassen gesucht (vgl. meine Darstellung Hegels in «Rätsel der Philosophie», Bd. 1). - Wie erscheinen die Geister, deren Gedanken in dieser Schrift verfolgt worden sind, im Lichte der Weltanschauung, die mit den wissenschaftlichen Errungenschaften der auf ihre Epochen folgenden Zeiten rechnet? Sie haben noch an eine «übernatürliche» Schöpfungsgeschichte geglaubt. Wie nehmen sich ihre Gedanken vor einer «natürlichen» aus, welche die Naturwissenschaft des neunzehnten Jahrhunderts geschaffen hat? Diese Naturwissenschaft hat der Natur nichts gegeben, was ihr nicht gehört; sie hat ihr nur genommen, was ihr nicht gehört. Sie hat alles das aus ihr verbannt, was nicht in ihr zu suchen ist, sondern was sich nur im Innern des Menschen findet. Sie sieht kein Wesen mehr in der Natur, das so ist, wie die Menschenseele, und das schafft nach Art des Menschen. Sie läßt die Organismenformen nicht mehr von einem menschenähnlichen Gott geschaffen sein; sie verfolgt ihre Entwicklung in der Sinnenwelt nach rein natürlichen Gesetzen. Der Meister Eckhart sowohl wie Tauler, und auch Jacob Böhme wie Angelus Silesius müßten bei Betrachtung dieser Naturwissenschaft die tiefste Befriedigung empfinden. Der Geist, in dem sie die Welt betrachten wollten, ist im vollsten Sinne auf diese Naturbetrachtung übergegangen, wenn sie richtig verstanden wird. Was sie noch nicht konnten, auch die Tatsachen der Natur selbst in das Licht rücken, das ihnen aufgegangen war, das wäre ihre Sehnsucht ohne Zweifel geworden, wenn diese Naturwissenschaft ihnen vorgelegen hätte. Sie konnten es nicht; denn keine Geologie, keine «natürliche Schöpfungsgeschichte» erzählte ihnen von den Vorgängen in der Natur. Die Bibel allein erzählte ihnen auf ihre Art von solchen Vorgängen. Sie haben deshalb, so gut sie es konnten, das Geistige dort gesucht, wo es allein zu finden ist: im menschlichen Innern. Gegenwärtig hätten sie noch ganz andere Hilfsmittel als zu ihrer Zeit, zu zeigen, daß ein in sinnenfälliger Form existierender Geist nur im Menschen zu finden ist. Sie würden heute rückhaltlos mit denen übereinstimmen, die den Geist als Tatsache nicht in der Wurzel der Natur, sondern in ihrer Frucht suchen. Sie würden zugeben, daß der Geist im Sinnenkörper ein Entwickelungsergebnis ist, und daß auf unteren Stufen der Entwicklung ein solcher Geist nicht gesucht werden darf. Sie würden verstehen, daß nicht ein «Schöpfungsgedanke» bei dem Entstehen des Geistes im Organismus gewaltet hat, ebensowenig wie ein solcher «Schöpfungsgedanke» den Affen aus den Beuteltieren hat hervorgehen lassen. - Unsere Gegenwart kann über die Tatsachen der Natur nicht sprechen, wie Jacob Böhme über sie gesprochen hat. Aber es gibt einen Gesichtspunkt auch in dieser Gegenwart, der die Anschauungsweise Jacob Böhmes einer mit der modernen Naturwissenschaft rechnenden Weltanschauung nahe bringt. Man braucht nicht den Geist zu verlieren, wenn man in der Natur nur Natürliches findet. Viele glauben heute allerdings, man müsse in einen flachen und nüchternen Materialismus verfallen, wenn man die von der Naturwissenschaft gefundenen «Tatsachen» einfach hinnimmt. Ich selbst stehe völlig auf dem Boden dieser Naturwissenschaft. Ich habe durchaus die Empfindung, daß bei einer Naturbetrachtung, wie diejenige Ernst Haeckels ist, nur derjenige verflachen kann, der schon mit einer flachen Gedankenwelt an sie herangeht. Ich empfinde ein Höheres, Herrlicheres, wenn ich die Offenbarungen der «Natürlichen Schöpfungsgeschichte» auf mich wirken lasse, als wenn die übernatürlichen Wundergeschichten der Glaubensbekenntnisse auf mich eindringen. Ich kenne in keinem «heiligen» Buche etwas, das so Erhabenes mir enthüllt, wie die «nüchterne» Tatsache, daß jeder Menschenkeim im Mutterleibe aufeinanderfolgend in Kürze diejenigen Tierformen wiederholt, die seine tierischen Vorfahren durchgemacht haben. Erfüllen wir unser Gemüt mit der Herrlichkeit der Tatsachen, die unsere Sinne schauen, dann werden wir wenig übrig haben für die «Wunder», die nicht im Kreislaufe der Natur liegen. Erleben wir den Geist in uns, dann brauchen wir keinen solchen draußen in der Natur. Ich habe in meiner «Philosophie der Freiheit» meine Weltanschauung beschrieben, die den Geist nicht zu vertreiben glaubt, weil sie die Natur so ansieht, wie sie Darwin und Haeckel ansehen. Eine Pflanze, ein Tier gewinnen für mich nichts, wenn ich sie mit Seelen bevölkere, von denen mir meine Sinne keine Kunde geben. Ich suche nicht in der Außenwelt nach einem «tieferen», «seelischen» Wesen der Dinge, ja ich setze es nicht einmal voraus, weil ich glaube, daß die Erkenntnis, die mir in meinem Innern aufleuchtet, mich davor bewahrt. Ich glaube, daß die Dinge der Sinnenwelt das auch sind, als was sie sich uns darstellen, weil ich sehe, daß eine rechte Selbsterkenntnis uns dahin führt, in der Natur nichts als natürliche Vorgänge zu suchen. Ich suche keinen Gottesgeist in der Natur, weil ich das Wesen des Menschengeistes in mir zu vernehmen glaube. Zu meinen Tier-Ahnen bekenne ich mich ruhig, weil ich zu erkennen glaube, daß dort, wo diese Tier-Ahnen ihren Ursprung haben, kein seelenartiger Geist wirken kann. Ich kann Ernst Haeckel nur zustimmen, wenn er einer Unsterblichkeit, wie sie manche Religion lehrt (vgl. Haeckels «Welträtsel», S. 139), die «ewige Ruhe des Grabes» vorzieht. Denn ich finde eine Herabwürdigung des Geistes, eine widerwärtige Sünde wider den Geist in der Vorstellung einer nach Art eines sinnlichen Wesens fortdauernden Seele. - Einen schrillen Mißton höre ich, wenn die naturwissenschaftlichen Tatsachen in Haeckels Darstellung mit der «Frömmigkeit» der Bekenntnisse mancher Zeitgenossen zusammenstoßen. Aber für mich tönt aus Bekenntnissen, die mit natürlichen Tatsachen einen schlechten Zusammenklang geben, nichts von dem Geiste der höheren Frömmigkeit, die ich bei Jacob Böhme und Angelus Silesius finde. Diese höhere Frömmigkeit steht vielmehr mit dem Wirken des Natürlichen in vollem Einklange. Es liegt kein Widerspruch darin, sich mit den Erkenntnissen der neueren Naturwissenschaft zu durchdringen und gleichzeitig den Weg zu betreten, den Jacob Böhme und Angelus Silesius zum Geiste gesucht haben. Wer sich auf diesen Weg im Sinne dieser Denker begibt, der darf nicht fürchten, in flachen Materialismus zu verfallen, wenn er die Geheimnisse der Natur sich von einer «natürlichen Schöpfungsgeschichte» darstellen läßt. Wer meine Gedanken in diesem Sinne auffaßt, der versteht mit mir in gleicher Weise den letzten Spruch des «Cherubinischen Wandersmannes», in den auch diese Schrift ausklingen soll: «Freund, es ist auch genug. Im Fall du mehr willst lesen: so geh und werde selbst die Schrift und selbst das Wesen.»

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Zusatz zur Neuauflage (1923). Diese letzten Sätze dürfen nicht im Sinne einer ungeistigen Auffassung der Natur umgedeutet werden. Ich wollte durch sie nur in starker Art betonen, daß der Geist, der der Natur zugrunde liegt, in ihr gefunden werden muß, und nicht von außen in sie hineingetragen werden darf. Die Abweisung der «Schöpfungsgedanken» bezieht sich auf ein Schaffen, das ähnlich dem menschlichen, nach Zweckgedanken, ist. Was über die Entwicklungsgeschichte zu sagen ist, wolle man in meinem Buche «Erkenntnistheorie der Goetheschen Weltanschauung» (Vorwort zur Neuauflage) nachlesen.


 

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