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VIII. DAS GEWÖHNLICHE UND DAS HÖHERE BEWUSSTSEIN

Im Schlafzustande hört für das gewöhnliche Bewußtsein das Sinnes-Erleben auf, und auch die seelische Betätigung in Denken, Fühlen und Wollen. Damit entfällt dem Menschen dasjenige, was er als sein «Selbst» zusammenfaßt.

Durch die in den vorangehenden Betrachtungen charakterisierten Seelenübungen wird von einem höheren Bewußtsein zunächst das Denken erfaßt. Man kann dieses Erfassen nicht bewirken, ohne das Denken zuerst verloren zu haben. Im Erfolg bewirkenden Meditieren erlebt man diesen Verlust des Denkens. Man fühlt sich zwar innerlich als wesenhaft; es tritt ein unbestimmtes inneres Erleben ein; aber man kann sich zunächst nicht selbst mit einem so starken Sein erleben, daß man dieses Innensein in denkender Tätigkeit erfassen könnte. Diese Möglichkeit tritt erst nach und nach ein. Die innere Aktivität wächst; und die Kraft des Denkens wird von einer andern Seite entzündet als im gewöhnlichen Bewußtsein. Man erlebt sich in diesem gewöhnlichen Bewußtsein immer nur in einem gegenwärtigen Augenblicke. Indem durch die Seelenübungen das Denken wieder entzündet wird, nachdem man durch das Nicht-Denken hindurchgegangen und dadurch zum Imaginieren gekommen ist, erlebt man den Inhalt des ganzen Lebenslaufes von der Geburt bis zum jeweilig gegenwärtigen Augenblicke als das eigene «Ich». Auch die Erinnerungen des gewöhnlichen Bewußtseins sind Erlebnisse des gegenwärtigen Augenblickes. Sie sind Bilder, die gegenwärtig erlebt werden, und die durch ihren Inhalt auf Vergangenes nur hinweisen. Solche Erinnerung entfällt zuerst beim Eintritte des Imaginierens. Das Vergangene wird dann angeschaut, wie wenn es ein Gegenwärtiges wäre. Wie man in der Sinneswahrnehmung den Sinn nach den Dingen hinlenkt, die im Raume nebeneinander sind, so lenkt man die erwachte Aktivität der Seele im Imaginieren nach den verschiedenen Geschehnissen des eigenen Lebenslaufes hin. Man hat den zeitlichen Verlauf als Einheit vor sich. Der Inhalt des Werdens tritt als ein augenblicklich Gegenwärtiges auf.

Aber man hat im höheren Bewußtsein etwas anderes als die Erinnerungen des gewöhnlichen Bewußtseins. Man hat die Tätigkeit des vorher diesem Bewußtsein unbekannten ätherischen Organismus vor sich. Die Erinnerungen des gewöhnlichen Bewußtseins sind nur Bilder dessen, was der Mensch durch seinen physischen Organismus mit der Außenwelt erlebt hat. Das imaginative Bewußtsein aber erlebt die Tätigkeit, welche der ätherische Organismus am physischen Organismus vollbracht hat.

Das Auftauchen dieses Erlebens geschieht so, daß man das Gefühl hat, es steigt aus den Seelentiefen etwas herauf, das vorher in der eigenen Wesenheit zwar gesteckt hat, das aber nicht in das Bewußtsein herauf seine Wellen getrieben hat. Alles dieses muß in voller Besonnenheit erlebt werden. Das ist der Fall, wenn das gewöhnliche Bewußtsein neben dem imaginativen vollkommen erhalten bleibt. Man muß die Erlebnisse, die man an der Wechselwirkung zwischen ätherischem und physischem Organismus macht, stets in Beziehung bringen können zu dem entsprenden Erinnerungsleben des gewöhnlichen Bewußtseins. Wer das nicht kann, hat es nicht mit einer Imagination zu tun, sondern mit einem visionären Erleben.

In dem visionären Erleben ist das Bewußtsein nicht wie bei der Imagination mit einem neuen Inhalt erfüllt, der zu dem alten hinzukommt, sondern es ist verwandelt; der alte Inhalt kann neben dem neuen nicht gegenwärtig gemacht werden. Der Imaginierende hat seinen gewöhnlichen Menschen neben sich; der Visionär hat sich ganz in einen andern Menschen verwandelt.

Wer die anthroposophische Forschung von außen kritisiert, muß das beachten. Es kommt immer wieder vor, daß die imaginative Erkenntnis so beurteilt wird, als ob sie zu einem Visionären führte. Ein solches muß gerade der wahre Geistesforscher im strengsten Sinne von sich weisen. Er setzt nicht an die Stelle des gewöhnlichen Bewußtseins ein visionäres; sondern er gliedert dem gewöhnlichen das imaginative ein. Bei ihm waltet in jedem Augenblicke die volle Kontrolle des imaginativ Erlebten durch das gewöhnliche Denken. Das visionäre Vorstellen ist ein stärkeres Hineinlehen des «Ich» in den physischen Organismus, als das beim gewöhnlichen Bewußtsein der Fall ist. Das Imaginieren ist ein wirkliches Heraustreten aus dem physischen Organismus; und es bleibt daneben der gewöhnliche Bestand der Seele in dem physischen Organismus bewußt erhalten. Man wird bewußt in einem Teile der Seele, der vorher unbewußt war; aber der Seelenteil, der vorher im physischen Organismus bewußt war, bleibt in dem gleichen seelischen Erleben. Das Wechselverhältnis zwischen dem Erleben des Imaginierten und demjenigen des gewöhnlichen Bewußtseins ist ein ebenso besonnenes Erfahren der Seele wie das Hin- und Herlenken der Seelentätigkeit von einer Vorstellung zur andern im gewöhnlichen Bewußtsein. Berücksichtigt man dieses, so wird man die imaginative Erkenntnis nicht so beurteilen, als ob sie etwas Visionäres wäre. Sie ist, im Gegenteil, dazu geeignet, alle Neigungen zum Visionären zu vertreiben. Aber der imaginativ Erkennende ist auch in der Lage, einzusehen, daß in den Visionen nicht körperfreie Erlebnisse gegeben sind, sondern solche, die in einem viel höheren Grade vom Körper abhängig sind als die Sinneserlebnisse. Denn er kann den Charakter der Visionen mit dem der wirklich körperfreien Imaginationen vergleichen. Der Visionär steckt tiefer in seinen physischen Körperfunktionen darinnen als derjenige, der auf gewöhnliche Art seine Sinneswahrnehmungen erlebt.

Tritt die Imagination ein, dann wird das gewöhnliche Denken als etwas erkannt, das keinen substantiellen Bestand in sich hat. Als der substantielle Inhalt dieses gewöhnlichen Denkens ergibt sich dasjenige, was man mit der Imagination in das Bewußtsein einführt. Das gewöhnliche Denken läßt sich in der Tat vergleichen mit einem Spiegelbild. Aber während im gewöhnlichen Bewußtsein das Spiegelbild entsteht, ist das auf unbewußte Art lebendig, was in der Imagination auftritt. Man imaginiert auch im gewöhnlichen Seelenleben; aber unbewußt. Imaginierte man nicht, so dächte man nicht. Die bewußten Gedanken des gewöhnlichen Seelenlebens sind die von dem physischen Organismus reflektierten Spiegelbilder des unbewußten Imaginierens. Und das Substantielle dieses Imaginierens ist der ätherische Organismus, der in der irdischen Lebensentwickelung des Menschen sich offenbart. Mit der Inspiration tritt ein neues Element in das Bewußtsein ein. Von dem eigenen menschlichen Lebenslauf muß, um zur Inspiration zu kommen, so abstrahiert werden, wie das in den vorigen Betrachtungen dargestellt worden ist. Aber die Kraft der Aktivität, welche sich die Seele durch das Imaginieren errungen hat, bleibt dabei erhalten. Im Besitze dieser Kraft kann die Seele zu Vorstellungen von demjenigen gelangen, was im Weltall dem ätherischen Organismus ebenso zugrunde liegt, wie dieser dem physischen.

Und damit wird die Seele vor ihre eigene ewige Wesenheit gestellt. Im gewöhnlichen Bewußtsein ist es so, daß die Seele, wenn sie vorstellend aktiv werden will, dies nur kann, indem sie den physischen Organismus ergreift. Sie taucht in denselben unter, und er reflektiert ihr in den Vorstellungsbildern dasjenige, was sie mit ihrem ätherischen Organismus erlebt. Diesen selbst erlebt sie aber in seiner Tätigkeit nicht. Im imaginativen Bewußtsein wird dann dieser ätherische Organismus selbst erlebt. Aber es geschieht dies dadurch, daß die Seele mit ihrem Erleben zu dem astralen Organismus weiter zurückgegangen ist. Solange die Seele bloß imaginiert, lebt sie im astralischen Organismus unbewußt, und der physische und ätherische werden angeschaut; sobald die Seele in inspirierter Erkenntnis ist, wird auch der astralische Organismus angeschaut. Denn die Seele lebt jetzt in ihrem ewigen Wesenskerne. Diesen anzuschauen, vermag die Seele durch das Fortschreiten zur intuitiven Erkenntnis. Durch diese lebt sie in der geistigen Welt, wie sie im gewöhnlichen Dasein in ihrem physischen Organismus lebt. Die Seele erkennt auf diese Art, wie physischer, ätherischer und astralischer Organismus aus der geistigen Welt sich herausbilden. Aber sie kann auch das Fortwirken des Geistigen an der Organisation des Erdenwesens «Mensch» beobachten. Sie sieht, wie der geistige Wesenskern des Menschen in den physischen, ätherischen und astralischen Organismus untertaucht. Dieses Untertauchen ist nicht etwa ein Hineinschlüpfen eines Geistigen in ein Physisches, so daß das erstere dann das letztere bewohnte. Nein, es ist ein Verwandeln eines Teiles der Menschenseele in die physische und ätherische Organisation. Dieser Teil der Menschenseele verschwindet während des Erdenlebens, indem er sich in den physischen und ätherischen Organismus verwandelt. Es ist derjenige Teil der Seele, von dem gewöhnlichen Bewußtsein in seinem Abglanz durch das Denken erlebt wird. Aber die Seele taucht auf einer andern Seite wieder auf. Es ist das der Fall mit demjenigen ihrer Teile, der im Erdendasein als Wollen erlebt wird. Das Wollen hat einen andern Charakter als das Denken. Im Wollen trägt der Mensch auch während des gewöhnlichen Wachlebens einen schlafenden Teil in sich. Das Gedachte steht klar vor der Seele. Der Mensch ist denkend wirklich ein vollerwachter. Das ist beim Wollen nicht der Fall. Der Wille wird durch den Gedanken angeregt. Soweit der Gedanke reicht, reicht auch das wache Bewußtsein. Aber dann taucht der Willensakt unter in den menschlichen Organismus. Bewege ich durch den Willen meine Hand, so habe ich im gewöhnlichen Bewußtsein den veranlassenden Gedanken als Anfang und die Anschauung der Hand-Erhebung mit allen begleitenden gefühlsmäßigen Seelenerlebnissen als Ende der Willenswirkung. Die Mitte bleibt unbewußt. Was aber in den Tiefen des Organismus vor sich geht, wenn ein Wollen im Menschen abläuft, das entzieht sich dem gewöhnlichen Bewußtseins geradeso wie die Erlebnisse des Schlafes. Der Mensch hat immerfort auch im- Wachen einen schlafenden Teil in sich.

Dieser Teil ist dasjenige, in dem vom Geist-Seelischen während des Erdendaseins das weiterlebt, was sich nicht in den physischen Organismus verwandelt. Man erschaut diese Verhältnisse, wenn durch die in den vorigen Betrachtungen geschilderten Willensübungen die wahre Intuition herbeigeführt worden ist. Dann erkennt man hinter dem Wollen den ewigen Teil der Menschenseele. Dieser verwandelt sich in die Kopforganisation; er verschwindet in deren Form und Leben während des Erdenlebens, und taucht auf der andern Seite wieder auf, um durch den Tod hindurchzugehen und wieder zur Mitarbeit an einem zukünftigen physischen Erdenkörper und Erdenleben reif zu werden. Damit dringt diese Betrachtung an das Ereignis des Todes im Menschenleben heran, das in der nächsten Betrachtung weiter geschildert werden soll. Denn man kommt durch die Anschauung, die ich heute entwickelt habe, nur zu dem Fortleben des Wollens und zu einer Erkenntnis eines Seelenteiles aus der Vergangenheit, der sich in die menschliche Kopforganisation verwandelt. Man kommt aber nicht zu dem Schicksal des Ich-Bewußtseins. Dieses kann nur im Zusammenhange mit dem Christusproblem behandelt werden. Daher wird die entsprechende Betrachtung wieder zu einer Anschauung der Geheimnisse des Christentums zurückführen. Die gewöhnliche Ideen-Philosophie verläuft in Gedanken; aber man hat in diesen Gedanken kein Leben, ktine Substanz. Man erhält die Substanz, wenn einem in der Imagination der physische Organismus entfällt. Vorher waren eben die Gedanken der Philosophie nur Spiegelbilder in der geschilderten Art. Gestaltet man diese zur Philosophie aus, so muß man deren Unwirkliches empfinden, wenn man sich unbefangen in sie einlebt. Man empfindet dann ahnend den Moment, der hier charakterisiert worden ist als der, in dem das erinnerte Denken ganz verschwindet. Augustinus und Descartes haben das empfunden, aber es sich ungenügend als «Zweifeln» gedeutet. Es erhält aber die Philosophie Leben, wenn die Einheit des Lebenslaufes substantiiert in der Seele auftaucht. Das hat Bergson empfunden und in seiner Idee der «Dauer» zum Ausdrucke gebracht. Aber er ist von diesem Punkte aus nicht weitergegangen. Wie es, aus diesen Verhältnissen heraus, mit der Kosmologie und Religionserkenntnis steht, soll im weiteren betrachtet werden.


 

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