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Geist, Gehirn und Computer

Das Denken und seine Werkzeuge

Wolfgang Peter 1997

INHALT

 


Die "natürliche Intelligenz"

Weltenweisheit waltet in der ganzen Natur, z.B. in der Abstimmung der Naturkonstanten; in der Position unserer Erde im Kosmos; in der geologischen Struktur der Erde, die Meere und Kontinente ermöglicht (Plattentektonik), im Pflanzenbau, in den tierischen Instinkten (etwa Ameisenhaufen) usw.

Weisheit waltet in der ganzen Natur, ohne daß dafür ein Gehirn nötig wäre; daher muß man skeptisch sein gegenüber der Aussage: "Das Gehirn denkt!"

Vorallem sollte man nicht glauben, daß die Intelligenz, die in einem Wesen zum Ausdruck kommt, auch unbedingt in ihm "verkörpert" sein müsse. Das wäre ebenso gescheit, als wollte man die im Rundfunk übertragene 9. Symphonie Beethovens aus den Schaltplänen des Radioempfängers ableiten! Vielmehr kann sich die kosmische Intelligenz in jedem Einzelwesen widerspiegeln; dann wird auch erklärlich, warum scheinbar primitive Lebewesen ohne nennenswertes Gehirn erstaunlich intelligente Leistungen vollbringen können, wie etwa folgende:

"Ein Sperling hat Fähigkeiten der Flugsteuerung, die weit über denen eines hochgezüchteten Kampfflugzeuges liegen, und dennoch hat dieser Vogel lediglich das sprichwörtliche Spatzenhirn."

(Spektrum der Wissenschaft, Dossier: Kopf oder Computer 4/97, S 14)

Der Mensch, insofern physischer Leib, Ätherleib und Astralleib betroffen sind, ist zunächst auch das Produkt dieser natürlichen Intelligenz; vgl. z.B. den weisheitsvollen Bau seines Körpers!

Die Entwicklung des Menschen im Vergleich zum Tier

Das Kind wächst vom Kopf auf die Erde herab; nur das Tier wächst eigentlich auf. Beim Neugeborenen macht der Kopf noch etwa ein Drittel der Körpergröße aus, beim Erwachsenen nur mehr ein Siebentel. Dafür wachsen insbesondere in der Pubertät die Gliedmaßen aus. Das Tier hingegen wird mit überlangen Gliedmaßen oder großen Pfoten geboren, denen der restliche Körper erst nachwächst, und schon kurz nach der Geburt weiß sich das Tier geschickt zu bewegen.

Der Mensch ist körperlich weniger vollkommen als die höheren Tiere, aber dafür allseitig veranlagt, nicht einseitig; er umfaßt den ganzen Tierkreis, er ist ein vollständiger Mikrokosmos.

Wesentlichste Unterschiede von Tier und Mensch:

Aufrichtekraft
Sprache
Denken

Pflanze, Tier und Mensch – zunehmende Verinnerlichung und zugleich ein Absterbeprozeß

Pflanze

Tier

Mensch

Lebendige Säfteströmung; kein geschlossener Kreislauf, vielmehr ist die ganze Natur in den Wasserkreislauf eingeschaltet.

Das Licht wirkt von außen aufbauend (Photosynthese)

Verinnerlichung der Säfte-strömung, gipfelnd im Blutkreislauf.

Atmung: Hunger, Angst

Nervensystem und Sinnes-organe: das innere Bewußt-seinslicht kommt dem äußeren Licht entgegen.

Knochen entstehen als Stütze und wandern von außen nach innen.

Gliedmaßen: Trieb; Instinkt

Feinste Wärmeregulierung des Blutes.

ZNS in Rückenmark und Schädelkapsel.

Blutbildung im Knochen-mark (beim Embryo noch in Milz und Leber).

Schlafbewußtsein

Traumbewußtsein

Gegenstandsbewußtsein

Bildekräfte

Empfindung und Trieb

Selbstbewußtsein

Das Bewußtsein ist an Abbauprozesse gebunden, während die Weisheit, die die Welt baut, sich vorallem in den unbewußten Bildekräften zeigt. Die Pflanze ernährt sich mittels Photosynthese von Licht und Luft, sie baut sich dadurch auf. Die Atmung des Tieres oder des Menschen ist ein abbauender Vorgang, der den Organismus aufzehrt – und der in der Folge das Hungergefühl erzeugt. Wird die Atmung beeinträchtigt, entsteht Atemnot, so entstehen zugleich Angstgefühle.

Der Atemrhythmus ist eng gebunden an den Pulsschlag; beide zusammen bilden das leibliche Werkzeug für das Gefühlsleben. Gefühle haben den gleichen Bewußtseinsgrad, wie das Traumleben. Wir können uns ihnen kaum objektiv gegenüberstellen, wir sind in sie verwoben.

Die Pflanze ist allseitig von Licht und Luft, das heißt von ihrer Nahrungsquelle, umgeben. Das Tier hingegen muß seine Nahrung aktiv aufsuchen, und es braucht eine bereits organisierte (pflanzliche oder tierische) Nahrung, die es einem Abbauvorgang (Verdauung) unterwerfen muß, wobei das Sättigungsgefühl entsteht. Weil das Tier die Nahrung suchen muß, entsteht der Nahrungstrieb, der sich beim Raubtier, dem die Beute auch noch davonläuft, zum Jagdtrieb steigert. Während bei der Pflanze die Fortpflanzung eine bloße Fortsetzung des Wachstums über das einzelne Pflanzenwesen hinaus darstellt, der die Pflanze passiv hingegeben ist, muß daß Tier seinen Geschlechtspartner aktiv aufsuchen und umwerben: Fortpflanzungstrieb.

Die tierischen Triebe, die dem Stoffwechselsystem entspringen und im Gliedmaßensystem ihr Werkzeug finden, werden vielfältig durch tageszeitliche und jahreszeitliche kosmischen Rhythmen gelenkt (Tag- oder Nachträuber, Winterschlaf, Brunftzeiten etc.). Die Instinkte sind Ausdruck dieser kosmischen Rhythmen.

Der Trieb als solcher entspringt zunächst einem vegetativen Bedürfnis und ist nur eine Fortsetzung des Wachstumstriebes der Pflanze und wäre als solcher auch nur von einem pflanzenhaften Schlafbewußtsein begleitet. In dem die Triebe des Tieres aber immer wieder gehemmt und nicht so selbstverständlich erfüllt werden, wie bei der Pflanze, werfen sie ihren Schatten in das traumhafte tierische Bewußtsein und erscheinen dort als Begierden, die je nach dem, ob sie erfüllt werden oder nicht, Lust- oder Unlustgefühle erregen.

In den Instinkten waltet im Prinzip die selbe natürliche, oder, wie wir nun genauer sagen können, kosmische Intelligenz, die bei den Pflanzen das Wachstum regelt und es namentlich in Blüte, Frucht- und Samenbildung zum Abschluß bringt.

Das Nervensystem ist ein Abbild der kosmischen Intelligenz.

Je weiter sich dieses entwickelt, desto weniger ist das Tier von den äußeren kosmischen Rhythmen abhängig. Es richtet sich nun zunehmend nach der im Nervensystem verinnerlichten kosmischen Weisheit. Das beginnt schon beim einfachen Reflexbogen, und vollendet sich in der Großhirnrinde des Menschen, der sich dadurch vollständig aus dem Kosmos herausreißt, und eben dadurch ein freies Wesen werden kann.

Das Licht, das durch die pflanzliche Photosynthese die Pflanzengestalt aufbaut, wirkt im Sinnesprozeß des Auges zerstörend. Der Sehpurpur wird verbraucht, und die Zerstörung setzt sich über den Sehnerv bis ins Gehirn fort. Denn die Reizleitung der Nerven beruht auf einer kurzfristigen Störung des Nervenlebens, das dabei bis zum anorganischen Prozeß abgetötet wird. Die elektrische Reizleitung beruht ja auf rein anorganischen Salzprozessen im Nerv. Dadurch entsteht erst eine freie, von allen Lebensvorgängen befreite Bahn, durch die sich die Seele mit der sinnlichen Außenwelt verbinden kann.

Drei spezifische Abbauprozesse liegen also dem Bewußtsein zugrunde:

Nervenprozesse
Atmungsprozesse
Stoffwechselprozesse

Erst beim Menschen sind diese drei Abbauprozesse soweit voneinander differenziert, das sie die Grundlage für das dreigliedrige Seelenleben des Menschen bilden (Denken, Fühlen, Wollen).

Von der Pflanze zum Tier – ein Umstülpungsvorgang; von der Pflanze zum Menschen – ein Umkehrungsprozeß

Mit den Wurzeln gründet die Pflanze fest in der Erde; mit den Blüten ist sie fest in die kosmischen Konstellationen eingespannt. Pflanzen haben nämlich im allgemeinen eine sehr eng begrenzte Blühperiode: sie blühen nur dann, wenn die Sonne in ganz bestimmten Sternbildern steht, während die Vegetationsperiode, also das Blattwachstum, vom zeitigen Frühjahr bis zum späten Herbst reicht. Tatsächlich sind die Blüten sogar Sternförmig gebildet, sie stehen unter astralem Einfluß (vgl. Aster = Stern). Das Blattwachstum von Knoten zu Knoten steht vorallem unter Mondeneinfluß, wird aber durch die kosmischen Rhythmen der anderen Planeten spezifisch modifiziert.

Blüte -> Sternenwelt (astral)
Laubblätter -> Planetenwelt (vegetatives Leben)
Wurzeln -> Erdenwelt (mineralisch)

Mit der Blüte und der zugehörigen Frucht- und Samenbildung schließt sich das vegetative Wachstum der Pflanze ab; ist einmal die Frucht abgeworfen, so verwelkt die Pflanze. Sie verbrennt gleichsam in dem intensiven Stoffwechselfeuer, das die Blüte ergreift (oft ist die Blütentemperatur deutlich höher als die Umgebungstemperatur und wird gelegentlich sogar, wie die Blutwärme, streng reguliert!). Blüte und Früchte betreiben auch keine Photosynthese mehr, sondern sind stoffabbauende Atmungsorgane. Der astrale Einfluß hemmt also das vegetative Leben.

Das Tier entsteht ideell (selbstverständlich nicht physisch-sinnlich) dadurch, daß die Blüten (astral) und die Wurzeln (irdisch) nach innen gestülpt werden.

So entsteht der vegetative Stoffwechsel-Pol und der animalische Nerven-Sinnes-Pol des tierischen Embryos. Das Tier emanzipiert sich dadurch bis zu einem gewissen Grade sowohl von der Erde, als auch von der Sternenwelt. Die so verinnerlichte Blüte bildet nun nicht mehr Früchte, sondern die inneren Stoffwechsel- und die später auch die äußeren Gliedmaßenorgane. Früchte sind meist vergleichsweise eiweißreich; umgestülpt wird daraus etwa die Eiweiß produzierende Leber. Die Nieren sind nicht grundlos bohnenförmig, und das Innere einer Walnuß gleicht nicht zufällig dem Gehirn! Nicht die Früchte dieser oder jener einzelnen Pflanze werden zu den tierischen Organen umgewendet, sondern gleichsam das Insgesamt aller Früchte. Es wird eben überhaupt nicht irgend eine sinnliche Pflanze umgestülpt, sondern die nur geistig erfahrbare Urpflanze selbst, die allen äußerlich erscheinenden Pflanzen ideell zugrunde liegt.

Die Pflanze wächst ein Leben lang immer weiter; wenn der wachstumshemmende Einfluß der astralen Kräfte zu Blüten-, Frucht- und Samenbildung führt, dann stirbt die Pflanze zugleich oder geht zumindest, wie bei den Bäumen, in einen todesähnlichen Ruhezustand über. Das Wachstum der tierischen Organe wird schon viel früher gehemmt; kein Tier wächst endlos weiter, sondern irgend wann einmal ist es ausgewachsen, lebt aber dann trotzdem weiter. Dieser Punkt ist etwa mit der Geschlechtsreife erreicht, und dann erwachen die tierischen Triebe erst so recht. Der pflanzliche Wachstumstrieb wird nicht eingeschränkt und bleibt daher bewußtlos. Der tierische Wachstumstrieb wird beständig gehemmt, und das spiegelt sich als tierische Begierde ins Bewußtsein bzw. erscheint als äußere Gliedmaßenbewegung (wobei die tierischen Kiefer durchaus als gliedmaßenartige Organe aufgefaßt werden müssen!). Insgesamt wird der tierische Leib dadurch zum "Organon", zum Werkzeug des Seelischen.

So wird der tierische Leib zu einem verinnerlichten dynamischen Abbild des ganzen Kosmos. In den Stoffwechselprozessen und der daraus entstehenden tierischen Substanz, dem Eiweiß, drückt sich die Sternenkraft, oder, wenn man will, der kosmische Wille, aus (vgl. z.B. Bethe-Weizäcker-Zyklus und den Eiweißaufbau aus C, H, N und O). Die innere Säftedynamik, namentlich der rhythmisierte Blutkreislauf, aber auch die rhythmische Atmung, spiegeln die kosmischen Rhythmen, das kosmische Fühlen wider. Das Nerven-Sinnessystem endlich bildet einen Abdruck der Sternenkonstellationen, insbesondere der Tierkreisbilder. Den zwölf Tierkreiszeichen entsprechen daher etwa die zwölf Sinne des Menschen, oder die 12 Paar Gehirnnerven. Hier verinnerlicht sich das kosmische Denken. Allerdings hat erst der Mensch wirklich den ganzen äußeren Makrokosmos zum Mikrokosmos verinnerlicht. Nur er ist daher wirklich vom Makrokosmos unabhängig, d.h. frei geworden. Das Tier bleibt auf halben Wege stehen und unterliegt sowohl makrokosmischen als mikrokosmischen Einflüssen. Daher ist auch das Rückgrat des Tieres horizontal, es ist gleichsam eine entwurzelte, umgefallenen und umgestülpte Pflanze. Erst der Mensch richtet sich auf, aber er wendet seine Stoffwechselorgane der Erde zu und reckt seine "Wurzelknolle", das Gehirn, in den Himmel. Er ist nicht nur die umgestülpte, sondern auch noch die vollkommen umgedrehte Pflanze. Und dadurch ist er nicht nur physisch frei beweglich wie das Tier, sondern auch geistig frei. Er ist als Mensch nicht nur vom Kosmos unabhängig, sondern auch von dessen körperlichem Abbild, dem Organismus. Daher gilt, wie Goethe meint: Das Tier wird von seinen Organen belehrt, der Mensch hingegen belehrt auch umgekehrt seine Organe!

Entwicklungsstufen des sinnlichen Bewußtseins

Das sinnliche Bewußtsein entwickelt sich vom dumpfen allgemeinen Lebenssinn (z.B. Regenwurm, Schlange) zum differenzierten Gegenstandsbewußtsein, das in den 12 Sinnen des Menschen gipfelt.

Der Lebenssinn empfindet, wie die Bildekräfte gehemmt oder gefördert werden (z.B. Hunger und Sättigung; Durst; Schmerz oder Wohlbehagen etc.). Die Empfindung, die dabei erlebt wird, der Schmerz, die Lust usw. ist aber seelisch-astralischer Natur, d.h.:

vom Leben zum Erleben!

Der Weg geht von den inneren Sinnen zu den äußeren, vom Körperbewußtsein zum Weltbewußtsein, wobei der Mensch durch seine obersten Sinne sogar in die anderen Wesen eintaucht (beginnend mit dem Gehörsinn, den auch noch die Tiere haben, weiter aber mit den ihm exklusiv vorbehaltenen Sprachsinn, Gedankensinn und Ichsinn).

Nur der Mensch trennt Körperbewußtsein und Weltbewußtsein vollständig; er stellt sich als Subjekt den Objekten gegenüber und empfindet sich daher als Ich.

Die Zersplitterung des Bewußtseins durch die Sinne erreicht beim Menschen einen Höhepunkt; das Gehirn setzt diese Zersplitterung fort.

Dennoch erlebt der Mensch dieses reich differenzierte Bewußtsein als zusammengehörige Einheit. Das ist bei den höheren Tieren nicht der Fall; sie leben in flutenden Tönen, Farben, Lust- und Unlustempfindungen, Trieben und Begierden usw. Nur primitive Tiere erleben ein, nun allerdings ganz dumpfes und undifferenziertes Einheitsbewußtsein. Kein Tier erlebt die Außenwelt so mannigfaltig und doch zugleich zu Gegenständen zusammen geordnet, wie der Mensch. Kein Tier hat ein so reiches seelisches Innenleben wie der Mensch; es kennt nicht Gefühle wie Haß, Liebe, Zorn, Mitleid usw. sondern nur verschiedene Grade von Lust und Unlust; es kennt keine Gedanken und auch keine Willensentschlüsse, sondern nur Begierden und Triebe.

Nur beim Menschen gliedert sich das Seelenleben klar in Sinneswahrnehmung, Denken, Fühlen und Wollen.

Die Entfaltung des gegenständlichen Bewußtseins des Menschen

Im Gegensatz zu den Tieren entwickelt der Mensch ein räumlich-gegenständliches Bewußtsein, während den Tieren nur ein Traumbewußtsein eignet, das nicht klar zwischen innen und außen unterscheidet. Wesentlichste Voraussetzung dafür ist die menschliche Aufrichtekraft, dann aber auch die Sprache, durch die der Mensch die Dinge benennt, und das Denken, durch die er sie begreift. Das Tier befindet sich auf seinen vier Beinen in einem relativ stabilen, naturgegebenen Gleichgewicht. Der zweibeinige Mensch hingegen ist wachend in einem labilen Gleichgewicht, das er beständig aktiv aufrecht erhalten muß. Das Tier ist im Raum; der Mensch muß sich selbst in den Raum hineinstellen. Während die meisten Tiere schon wenige Stunden nach ihrer Geburt laufen können, muß der Mensch im ersten Lebensjahr erst mühsam lernen, zuerst zu krabbeln, dann endlich zu gehen; und wie schwankend und unsicher sind die ersten Schritte. Das Tier bewegt sich sogleich sehr viel geschickter als der Mensch. Was der Mensch sich wachend erarbeiten muß, das vollzieht das Tier mit traumwandlerischer Sicherheit.

Die räumliche Wahrnehmung des Menschen kommt so zustande, daß das menschliche Ich aktiv die Formwahrnehmungen des Bewegungssinnes mit den Farbwahrnehmungen des Auges verbindet und obendrein die etwas unterschiedlichen noch flächigen Bilder, die das linke und das rechte Auge vermitteln, zu einem stereoskopischen Gesamtbild vereinigen. Überhaupt ist es das Ich des Menschen, das die Empfindungen, die ihm seine 12 Sinne liefern, zu einem einheitlichen Weltbild zusammenfügt. Beim Tier fehlt diese synthetische Tätigkeit des Ich, es kommt daher nie zu einer zusammenhängenden Weltschau, sondern schwimmt gleichsam in freischwebenden Sinnesqualitäten. Zunächst, bis tief in die atlantische Zeit hinein, konnte auch der Mensch noch nicht gegenständlich wahrnehmen. Sein Sinnesbewußtsein war ähnlich dem der Tiere, wenngleich auch wesentlich vielseitiger. Es war zugleich ein sinnlich-übersinnliches Bewußtsein, in dem die sinnlichen und seelischen Qualitäten noch nicht voneinander geschieden waren. Erst als der Mensch das Gegenstandsbewußtsein entwickelt hatte, konnte er eine rein seelische Innenwelt einer seelenlos empfundenen Außenwelt gegenüberstellen.

Schrittweise entfaltete sich das gegenständliche Bewußtsein. Die eiszeitliche Welt war noch von dichten Nebeln erfüllt, die schon dadurch alle Farben und Formen ineinander verfließen ließen. Noch heute fällt es uns sehr schwer, uns im Nebel zu orientieren. So gaben schon damals die äußeren Bedingungen der atlantischen Welt keinen Anstoß, daß der Mensch sich seelisch in das gegenständliche Ergreifen der Welt hineinfand. Erst als die Eiszeit allmählich zu Ende ging und die Nebelmassen sich in gewaltigem Regen niederschlug und schließlich die Sonne durchdrang, begann der Mensch bewußt die räumliche Umgebung zu erfassen. Das erste, was der Mensch wirklich räumlich außer sich sah, war der farbige Regenbogen. Er hat noch etwas von der freischwebenden Qualität, die dem atlantischen Bewußtsein eigen war, ist auch noch nicht gegenständlich, aber doch in soferne räumlich, als er sich "außerhalb", wenngleich auch in undefinierbarer Entfernung befindet. Der Regenbogen ist das Tor, durch das der Mensch von der übersinnlichen in die sinnliche Welt geschritten ist. Er ist die Brücke, die beide Welten miteinander verbindet. In der atlantischen Zeit sah der Mensch alle Wesen noch in ihre übersinnliche Aura eingehüllt, in der sich seelisch offenbarten. Der Regenbogen ist das sinnliche Abbild der großen Sonnenaura, die später Zarathustra noch "Ahura Mazdao" genannt hat. Auch in der Bibel wird uns erzählt, daß nach der großen Sintflut, die aber nichts anderes darstellt als das Ende der atlantischen Zeit, der Regenbogen das Zeichen des neuen Bundes mit den Göttern wurde:

"Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich geschlossen habe zwischen mir und euch und allem lebendigen Getier bei euch auf ewig: Meinen Bogen habe ich in die Wolken gesetzt; der soll das Zeichen sein des Bundes zwischen mir und der Erde."

(1 Mo 9,12)

Und noch den Griechen war Iris, die Göttin des Regenbogens, eine Vorläuferin des Götterboten Hermes, die zwischen der sinnlichen und übersinnlichen Welt vermittelte. Der Atlantier erlebte noch hellsichtig die in der ganzen Natur waltenden Götter und die ihnen dienenden Elementarwesen; der neue Gott, mit dem Noah seinen Bund schloß, wird sich im Inneren, im Ich des Menschen offenbaren. Der selbe Gott, der zu Noah durch den Regenbogen sprach, hat sich dem Moses im brennenden Dornbusch als der "Ich-Bin" verkündet; derselbe, von dem Paulus schließlich sagen konnte: "Aber nicht ich, sondern der Christus in mir."

Als sich die nebelige, regnerische Luft noch mehr klärte, trat endlich die Sonne in das räumliche Bewußtsein. Aus der Morgenröte, die den ganzen Himmel mit einem gewaltigen Farbenspiel, gleichsam einen über den Äther verstreuten Regenbogen überzieht, taucht die tiefrote Sonnenscheibe auf, die sich bald zum gleißenden Licht steigert, demgegenüber der Himmel zum matten Grau der noch von Dunst verhangenen Luft verblaßt. Die aktiven Sonnenfarben, Rot, Orange, Gelb erfüllen das sinnliche Bewußtsein. Selbst den Griechen noch erschien der Himmel nicht blau, sie wußten überhaupt die passiven Farben, etwa Blau, Violett oder Grün kaum zu unterscheiden. Und auch als die Menschen erstmals den Regenbogen gesehen hatten, sahen sie seine passiven Farben nicht wirklich sinnlich, sondern geistig. Die Sonnenscheibe, die nun dem Menschen vor Augen tritt, wird auch noch nicht gegenständlich erlebt, sondern sie wird als runde Scheibe in unbestimmbarer Entfernung, aber immerhin äußerlich empfunden. Daran hat sich im Grunde bis zum heutigen Tage nichts geändert, das gegenständliche Bewußtsein reicht nicht bis in den Kosmos. Immerhin aber trat hier das Ich erstmals einer klar umrissenen äußeren Form gegenüber, an der es sich seiner selbst bewußt werden konnte. So die Sonne zu erleben, bedeutete für die Menschheit zugleich eine ganz wesentliche Ich-Erfahrung, zu der es das Tier niemals bringen kann. Dieses Erlebnis wirkte etwa nach im Aton-Kult des Echnaton, mit dem ein ganz persönliches Element kurz in die ägyptische Kultur hereinleuchtete; Aton ist nicht irgend ein bloß jenseitiger Gott, sondern er ist der, der das Ich bringt, und der äußerlich als Sonnenscheibe erscheint.

Immer noch nicht gegenständlich werden nachts der Mond, die Planeten und die Sternenwelt wahrgenommen. Ein intensives Erlebnis, wie man es heute in unserer von dem fast allgegenwärtigen künstlichen Licht erfüllten Welt kaum mehr hat. Tiefschwarz breitete sich damals der Himmel über den Menschen aus und verschmolz mit der dunklen Erde in eins. Man vermeinte unmittelbar im Kosmos selbst zu schweben. Wie hell strahlende Flecken prangten die Sterne inmitten dieser absoluten Finsternis. Nicht als einzelne leuchtende Punkte wurden sie erlebt, sondern zu mannigfaltigen Sternbildern zusammengefügt, die sich aus der hellsichtigen Imagination, die noch nachwirkte, verdichteten. Man erlebte gleichsam das am Himmel sichtbar gewordene Mienenspiel der kosmischen Götter. Unzählig sind die Sterne, und nach Zahlen sind sie geordnet. Und indem die Sonne, der Mond und die Planeten den Tierkreis durchwandern, zählt, ja rechnet der Kosmos beständig. Es ist zugleich die Weltenharmonie, die im ganzen Kosmos erklingt. Hier vom Himmel ist die Mathematik geholt, und was später als irdische Geometrie erschien, das war am Himmel gleichsam noch "Kosmomorphie", die lebendige und von Imaginationen durchsetzte Gestaltung der Tierkreisbilder. Der selbe Abraham, zu dem der Herr sprach, daß seine Nachkommen so geordnet sein sollen wie die Sterne, gilt den Juden auch als der Erfinder der Rechenkunst. Und tatsächlich ist es die sinnlich-übersinnlich wahrgenommene Sternenwelt, die das menschliche Gehirn zum Werkzeug des Rechnens zubereitete.

Dieses Erlebnis, nun auf die Erdenwelt gerichtet, machte allmählich das Mienenspiel des flächenhaften menschlichen Antlitzes sichtbar, durch das sich die Seele des Menschen kundgibt. Man beginnt den Menschen nach und nach als "persona" zu empfinden, als sinnliche Erscheinung, durch die Seele des Menschen hindurchklingt. Vom Kopf aus abwärts wird nun die ganze menschliche Gestalt immer gegenständlicher, in dem Maße, in dem der Mensch lernt, seine beiden Augenbilder zusammenzuschauen. Dadurch wird aber überhaupt die ganze Erdenwelt dem Menschen immer gegenständlicher.

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