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Aus einem Notizbuch

(Grundlegende Ausführungen zu Fragen der Ästhetik)

um 1888

Rudolf Steiner

Alles Denken sucht den Geist in der Natur; der Wissenschaft ist die Welt des Wirklichen ein Ding, bei dem sie nicht stehen bleiben kann, ein Durchgangspunkt, durch den sie fortgehen muß zu dem Wesen der Dinge, das nur als Idee zu erfassen ist. Nur indem der Menschengeist diese Wirklichkeit überschreitet, die Schale zerschlägt und bis zum Kern dringt, wird ihm offenbar, was diese Welt im Innersten zusammenhält. Nimmermehr kann uns am einzelnen Naturgeschehen, nur am Gesetze, nimmermehr am Individuum, nur an der Allgemeinheit Befriedigung werden. In seinem Innern baut sich der Mensch eine Welt auf, die seinen geistigen Bedürfnissen entspricht, der jene Harmonie eigen, nach der sein Geist verlangt, der jene strenge Logik innewohnt, die er erstrebt. Nie ist die äußere Natur so, wie sie sich uns unmittelbar darbietet, in der Lage, uns das zu erfüllen. Nur der in die Tiefe dringende Blick des sonnenhaften Auges sieht die geistige Sonne, die hinter den Erscheinungen lebt und waltet. Die unmittelbare Erscheinung erscheint uns entgöttlicht. Deshalb konnten die Zeiten mit vorherrschend theologisierender Richtung nie eine Ästhetik begründen.

Die Ästhetik kann nur jener Zeiten Kind sein, wo dem Menschen in der Kunstpflege eine hohe Aufgabe erscheint, wo ihm die Kunst zur hohen Tochter des Himmels wird, die eine göttliche Sendung zu erfüllen hat. Wenn uns in jeder einzelnen Erscheinung der Natur schon das göttliche Walten in seiner ganzen Intensität erscheint, was kann der Kunst für eine Aufgabe zufallen? Das Göttliche müßte in seiner hehrsten Form, als Idee erkannt werden, um auch der Erscheinung des Einzelnen ihren rechten Platz im Systeme unserer Weltanschauung anzuweisen. Der intuitive Geist sieht zwar im Besonderen das Allgemeine, im Individuum die Idee, aber nur weil er, während sein Blick ganz im Realen bleibt, mehr in diesem sieht, als die bloßen Sinne vermögen. Es geht ihm an der Einzelerscheinung die Idee auf, weil er nicht bei dem Individuum als solchem stehen bleibt.

Der Künstler schafft das Individuum um, er verleiht ihm den Charakter der Allgemeinheit; er macht es aus einem bloß Zufälligen zu einem Notwendigen, aus einem Irdischen zu einem Göttlichen. Nicht der Idee sinnliche Gestalt zu geben, ist die Aufgabe des Künstlers, nein, sondern das Wirkliche im idealen Lichte erscheinen zu lassen. Das Was ist der Wirklichkeit entnommen, darauf aber kommt es nicht an, das Wie ist Eigentum der gestaltenden Kraft des Genius, und darauf kommt es an.

Indem das Individuum herausgerissen erscheint aus dem Gefüge des Weltganzen und nun seine freie Idealität entfalten kann, erscheint es uns wesentlich anders denn in der Realität, und obwohl es uns in seiner Wahrheit erscheint, so ist diese Wahrheit der Naturgesetzlichkeit gegenüber doch Schein. Das Naturnotwendige wird zum Ethischen im Drama, da doch das Wirken der Menschheit nicht ethisch, sondern historisch genannt werden muß. Das Schöne ist kein Mikrokosmos, und ein solcher wäre auch nicht schön. Denn gerade in dem Übertreffen seiner selbst beim Individuum in bezug auf Eigenschaften und Größe liegt das Schöne. Wir empfinden das als eine Vollkommenheit, die uns an dem Weltall nicht erheben kann, weil sie da einfach selbstverständlich ist.

 

aus TB 650 (1986), S 11 f

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