Forum für Anthroposophie, Waldorfpädagogik und Goetheanistische Naturwissenschaft
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Der Trieb- und Begierdenleib (Astralleib)

Das unmittelbare Erlebnis "Rot" läßt sich niemals aus einem elektromagnetischen Schwingungsvorgang, den die Physik als Ursache der Farberscheinungen ansieht, ableiten, ebensowenig wie uns die chemische Beschaffenheit des Zuckers etwas über unser Geschmackserlebnis "süß" erzählt. Wenn wir die Natur dieser Sinnesqualitäten kennenlernen wollen, dann müssen wir sie selbst unmittelbar erleben, und unmöglich wird es uns gelingen, einem von Geburt auf Blinden die Farbenwelt begreiflich zu machen, obwohl wir mit ihm über elektromagnetische Schwingungen wie mit jedem anderen Menschen reden können. Ebensowenig lassen sich Erlebnisse wie Lust oder Unlust, Freude oder Schmerz etwa aus einem bestimmten Hormonspiegel oder gewissen elektrischen Nervenimpulsen ableiten, obwohl keineswegs geleugnet werden soll, daß ein bestimmter gesetzmäßiger Zusammenhang zwischen diesen physikalischen und chemischen Vorgängen und bestimmten Bewußtseinserlebnissen bestehen kann. Und auch die Vibrationen eines Musikinstrumentes, die wir vielleicht mit den Händen leise fühlen oder sogar mit Augen sehen können, sagen uns nichts über den Klang der Musik, die wir dabei erleben. Es handelt sich dabei eben um grundverschiedene Phänomenbereiche, die zwar aufeinander bezogen, aber niemals auseinander abgeleitet werden können. In einem weniger einseitig materialistischem Zeitalter als dem unseren müßte man das wohl kaum erwähnen, aber heute spießt sich das Denken oft gerade an so einfachen Tatsachen. Viele Naturforscher leugnen die Wirklichkeit der seelischen Erlebnisse überhaupt, obwohl sie sie, sofern sie nicht ihr ganzes Leben im Tiefschlaf verbringen, tagein tagaus selbst erleben. Andere - und das sind die, die die seelischen Phänomene wenigstens zur Kenntnis nehmen – grübeln in letztlich fruchtloser Weise darüber nach, wie sie aus materiellen Vorgängen seelische Erlebnisse ableiten könnten, oder wie umgekehrt seelische Entschlüsse sich in materielle Bewegungen verwandeln können. Immer wieder taucht ja seit der Neuzeit das sog. Leib-Seele-Problem auf, ohne auch nur den kleinsten Schritt einer Lösung näher gekommen zu sein. Und das kann auch nicht verwundern, denn die ganze Fragestellung liegt einfach vollkommen schief. Wer vom Standpunkt eines radikalen Reduktionismus aus das ganze Weltgeschehen aus bloß materiellen Vorgängen erklären will, darf sich nicht wundern, wenn er überall auch nur materielle Vorgänge findet. Er gleicht einem Menschen, der den Duft einer Blume aus der Farbe ihrer Blüte herausziehen wollte, wie der Zauberer den Hasen aus dem Hut. Beides wird ihm nicht wirklich gelingen, er kann höchstens sein Publikum durch üble Tricks täuschen. Anders stellt sich das Leib-Seele-Problem dar, wenn man nach gesetzmäßigen Beziehungen zwischen körperlichen und seelischen Erscheinungen sucht; die können selbstverständlich gefunden und näher untersucht werden, und in diese Richtung haben Neurologie, Physiologie und Psychologie durchaus schon einiges geleistet, ganz besonders in der ganz jungen interdisziplinären Forschungsrichtung der Psychoneuroimmunologie (23), wo die Interaktion zwischen Nerven-, Hormon- und Immunsystem und psychischen Erfahrungen und Erlebnissen studiert wird. Schwierigkeiten sieht man allerdings darin, sich konkret vorzustellen, wie die flüchtige immaterielle Seele auf den dichten stofflichen Körper einwirkt. Hier fehlen der Forschung noch die vermittelnden Glieder. Das sind aber gerade die Bildekräfte, von denen wir gesprochen haben. Sie sind, wie wir gesehen haben, von wärme- und lichtartiger Natur usw. und sind als eine eigenständige Kräftewelt neben der materiellen Welt tätig, mit der sie aber, wie schon die Physik zeigt, interagieren kann. Zwar hat sich die Physik bisher vorallem noch hauptsächlich dieser Kraft- oder Energieseite der Bildekräftewelt zugewandt, und noch wenig ihren formbildenden Wirkungen, technisch gesprochen: ihrem Informationscharakter (Information heißt wörtlich "Einformung"), aber erste Schritte in diese Richtung wurden bereits angebahnt, etwa in der Chaos- oder Komplexitätstheorie, allerdings auf sehr abstrakter Ebene. Viel konkreter hat ja schon etwa Goethe in seiner Metamorphosenlehre de facto von diesen Bildekräften gesprochen. Und ebenso wie man die Bildekräfte als eigenständigen Weltbereich anerkennen muß, so ist auch das Seelische eine auf sich selbst beruhende eigenständige Wirklichkeit. Wir dürfen in diesem Sinne ohneweiters von einer eigenen "Seelensubstanz" sprechen, wenn wir "Substanz" nicht als physischen Stoff mißverstehen, sondern in der eigentlichen Bedeutung des Wortes auffassen, nämlich als ein rein auf sich selbst Gegründetes, das allen seelischen Erscheinungen zugrunde liegt. Und indem die Tiere diese Seelensubstanz in ihr Wesen aufnehmen, dürfen wir von einem eigenen Seelenleib der Tiere reden, der natürlich auch nicht physisch-körperlich aufgefaßt werden darf. Rudolf Steiner nenn diesen Seelenleib auch Trieb- und Begierdenleib, oder, wegen seiner kosmischen Bezüge, Astralleib. Daß solche Bezüge existieren, haben wir ja schon an dem kosmischen Maß des menschlichen Lebens gesehen, das in gewisser Beziehung auch das Leben der Tiere begrenzt. Und dieses kosmische Maß hängt, wie wir gesehen haben, mit der rückschreitenden Wanderung des Frühlingspunktes durch den Tierkreis zusammen. Daneben gibt es noch unzählige andere kosmische Beziehungen, die sich auch in dem meist sehr streng an den Jahreslauf gebundenen Leben der Tiere widerspiegeln. Darauf näher einzugehen würde allerdings den Rahmen dieser Darstellung sprengen.

Der Trieb- und Begierdenleib ist es, der die Tiere bewegt, sowohl unmittelbar in ihrem innerlichen seelischen Erleben, als auch mittelbar, indem er die Bildekräfte und den physischen Leib ergreift, draußen im Raum. Schon die ganze Gestalt des Tieres wird nur verständlich, wenn man sie auf den darin wirksamen Astralleib bezieht. Die reinen ätherischen Bildekräfte allein könnten, sich selbst überlassen, nur pflanzliche Formen hervorbringen. Erst wenn sie von den Triebkräften erfaßt werden, kann die tierische Gestalt entstehen, und zwar umso mehr, je stärker sie in das Leben des Tieres eingreifen. Einfache Wassertiere etwa, wie Seeanemonen und andere Blumentiere, sind noch den Pflanzen sehr ähnlich gebaut. Je höher entwickelt ein Tier ist, desto stärker bemerkt man, daß das Tier, wie wir schon betont haben, im Grunde eine umgestülpte Pflanze ist, die nun ihre Lebenskräfte nicht mehr frei in den Raum hinaus entfalten kann, sondern innerhalb eines mehr oder weniger abgeschlossenen Hohlraumes, der tierischen Leibeshöhle, ausleben müssen. Der Astralleib sondert das Leben des Tieres bis zu einem gewissen Grade von seiner Umwelt ab und gestaltet es zu einem mehr oder weniger entwickelten Eigenleben um. Der ganze Leib des Tieres, ebenso sein Stoffwechsel, wird dadurch, verglichen mit dem der Pflanze, vergröbert. Das Eiweiß wird zum wesentlichsten Baustoff des Körpers, während es in der Pflanze vorwiegend nur funktionelle Bedeutung hat. Es wird gewissermaßen aus dem dynamischen Lebensprozeß als vergleichsweise statischer Bestandteil herausgesondert, als erwachte im Tier die noch ganz unbewußte Begierde, sich immer mehr zu verstofflichen. Dynamische Prozesse gerinnen gleichsam zu materiellen Strukturen. Diese Vergröberung zeigt sich schon an der Ernährung. Die Pflanze ernährt sich von Licht, Luft und Wasser und den darin aufgelösten Salzen, und aus diesem durchlichteten, durchlüfteten Säftestrom baut sich die ganze Pflanze auf. Eine Verdauung im eigentlichen Sinn findet nicht statt. Das Tier nimmt auch feste Nahrung zu sich, und diese Nahrung entstammt vorallem dem Tier und Pflanzenreich, während sich die Pflanze aus rein anorganischen Stoffen ernährt. Und was das Tier aus dem Pflanzen und Tierreich an Nahrung entnimmt, das muß es erst durch einen gründlichen Verdauungsprozeß soweit zerlegen, daß es in den anorganischen Zustand übergeht. Alle Spuren fremden Lebens müssen aus der Nahrung getilgt werden, ehe das Tier sie dazu verwenden kann, seinen eigenen Leib aufzubauen. Je höher entwickelt ein Tier ist, desto stärker muß es sich davor bewahren, daß fremdes Leben in seinen Organismus eindringt, sei es direkt durch die Ernährung, sei es durch Infektion oder ähnliches. Darum ist das ganze System der Immunabwehr bei den höheren Tieren, vorallem aber auch beim Menschen, sehr stark ausgebildet. Das Eigenleben wehrt sich dagegen, von fremden Leben überwältigt zu werden. Jede Tierart bildet ihr arttypisches Eiweiß, das sich mit dem anderer Arten nicht verträgt. Besonders beim Menschen hat schließlich auch jedes einzelne Individuum das nur ihm eigene Eiweiß, und jedes fremde Eiweiß wird durch die Immunabwehr normalerweise sofort erkannt und abgestoßen. Bekannt ist ja die diesbezügliche Problematik bei Organtransplantationen. Die Pflanze lebt mit Hilfe des Eiweißes, dessen sie sich als Werkzeug für ihren Stoffwechsel bedient; das Tier aber verkörpert sich gerade zu im Eiweiß. Und weil das Tier sich im Eiweiß verkörpert, und weil dadurch das Eiweiß bis zu einem gewissen Grad dem unmittelbaren Lebensprozeß entfällt, ist es auch ständig gefährdet zersetzt, zerstört zu werden. Bildhaft gesprochen begleitet ein ständiger Verwesungsprozeß das Leben des Tieres. Und was derart verwest, überschwemmt den ganzen Körper mehr oder weniger mit Giften. Wir haben ja bereits betrachtet, das die meisten Gifte Eiweißzersetzungsprodukte sind. Und solche Eiweißzersetzungsprodukte sind es auch, die als Neurotransmitter im Nervensystem, dem Werkzeug des Bewußtseins, wirken. Man sieht, wie derart der ganze Körper des Tieres darauf orientiert ist, das Leben zum bewußten Erleben hinzuführen.

Photosynthese mit Hilfe des Sonnenlichts bei Tag und Atmungsprozesse vorallem bei Nacht kennzeichnen den Stoffwechsel der Pflanzen. Diese Vorgänge werden im Tier teilweise vergröbert, teilweise aber auch verfeinert. Während sich die Pflanze vom Licht ernährt und aufbaut, wird im Tier das Licht daran gehindert, so tiefgreifend auf den ganzen Organismus einzuwirken. Es wird an der Oberfläche bereits aufgehalten und regt etwa die Bildung der Vitamine (24) an, und für ein gesundes Leben ist das Licht zumeist unerläßlich. Nur wenige Tiere leben in beständiger Finsternis. Das Tier baut sich nicht unmittelbar aus dem Licht auf, aber das Licht fördert sein Leben. Und Licht ist dabei im weitesten Sinne zu verstehen und umfaßt alle ätherischen Kräfte wie Wärme-, Licht-, Klang- und Lebensäther, die vorallem mit dem Sonnenlicht der Erde zugetragen werden. Dann aber wird das Licht auch ganz speziell von den Lichtsinnesorganen aufgenommen. Dadurch wirkt es nicht mehr so unmittelbar fördernd auf die Lebensprozesse zurück, sondern erregt ein anfangs dumpfes, später immer helleres Bewußtsein, das sich auf die Außenwelt bezieht. Die Wahrnehmung ist im Prinzip ein verfeinerter Ernährungsprozeß, der aber nun weniger dem Körper als vielmehr der Seele zugute kommt. Dieser verfeinerten Ernährung steht die viel gröbere Verdauung fester Nahrung beim Tier gegenüber, aus der es seine eigentliche Lebensenergie schöpft und auch die tierischen Triebkräfte anregt. Dazwischen steht vermittelnd die Atmung. Man sieht, wie sich das einheitliche Leben der Pflanze im Tier zu differenzieren beginnt. Lebenspol und Todespol beginnen sich voneinander zu scheiden.

Alles Bewußtsein ist in gewissem Sinne schmerzvoll; es ist auf Entbehrung gegründet, auf einen momentanen Mangel an Lebenskraft in einzelnen Teilen des Organismus. Wenn wir Nahrung entbehren, erwacht das Hungergefühl, zuerst als leiser, dann als immer stärker werdender Schmerz, der sich immer stärker in das Bewußtsein drängt und schließlich ganz lebensbeherrschend wird. Die Begierde nach Nahrung steigert sich immer mehr, alle Sinne werden geschärft auf der Suche nach ihr. Ein Zustand größerer Wachheit tritt ein. Wird der Hunger gestillt, so stellt sich ein Lustgefühl ein, indem wir spüren, wie sich die Anspannung des Bewußtseins wieder löst und die Lebenskräfte den Körper ergreifen. Das Bewußtsein sinkt wieder in einen dämmerhafteren Zustand zurück. Ganz deutlich kann man das bei den Raubtieren beobachten. Sie sind am aller wachsten dann, wenn sie der Hunger auf Beutefang treibt und zu höchster äußerer Aktivität anspornt. Und diese äußere Aktivität zehrt noch mehr an den Kräften des Körpers und peitscht das Bewußtsein nur noch mehr auf. Einmal gesättigt, kommen die Tiere wieder zur Ruhe und genußvoll verspüren sie, wie das schmerzvoll überhöhte Bewußtsein sich immer mehr dämpft, je mehr sich die Körperkräfte regenerieren. Und ähnlich für alle anderen Lebensbetätigungen. Wer aufmerksam beobachtet, wird bemerken, wie ihn die eingeatmete Luft drückt und seinen ganzen Körper in eine leise schmerzende Anspannung versetzt und wie dabei zugleich das Bewußtsein ein ganz klein wenig heller wird. Atmen wir aus, löst sich die Spannung wieder, das Bewußtsein, der Schmerz dämpft sich ein wenig. Jeder Stoßseufzer, wenn wir geräuschvoll die Luft ausstoßen, entlädt uns für einen Moment unseres Leids. Man sieht, wie das Bewußtsein dadurch beständigen kleinen Schwankungen unterworfen ist, die durch den Atemrhythmus reguliert werden. Und der große Rhythmus von Wachen und Schlafen hängt eng mit den rhythmischen Prozessen im Stoffwechselbereich zusammen. Bei Tag, wenn wir wachen, überwiegen in unserem Organismus die Abbauvorgänge. Wir nähren unser Bewußtsein, indem wir die Lebenskräfte aufzehren. Erst im Schlaf kann sich der Leib wieder richtig regenerieren – dann schwindet aber auch das Bewußtsein. Auch jede Sinneswahrnehmung ist leise schmerzvoll und der Schmerz steigert sich umso mehr, je stärker der Reiz wird. Um das zu erfahren, brauchen wir nur ins grelle Licht zu blicken, das uns sofort schmerzvoll blendet und zwingt, die Augen dem Licht zu verschließen. Und ähnlich für alle anderen Sinne; jeder Reiz wirkt leise zerstörend auf das Sinnesorgan ein und dieser Zerstörungsprozess setzt sich über die Nervenbahnen bis ins Gehirn fort. Jeder Nerv bedarf, nachdem er erregt wurde, einer kurzen Regenerationszeit, ehe er wieder erregt werden kann. Die Bildekräfte werden aufgerufen, ihn wieder dem Verfall zu entreißen. Und der Überschuß an Bildekräften, die an dem so und so schon beinahe toten Nerv wenig Angriffspunkte finden, wird, wie besprochen, ins Seelische zurück reflektiert und formt der "Seelensubstanz" ein spezifisches Erlebnis ein. Und dieses wird umso schärfer, umso konturierter, je mehr daran das komplexe und hochdifferenzierte Zentralnervensystem beteiligt ist. Aus einem noch diffusen Empfinden von Schmerz und Lust, von leisem Erwachen und sanftem Ruhen bei den niederen Tieren ringt sich allmählich ein immer schärferes Bewußtsein hervor, um schließlich im reichen menschlichen Erleben zu gipfeln. Das Tier unterscheidet noch nicht zwischen sich und der Welt. Was es durch die Sinne erlebt, verbindet sich noch untrennbar, mit dem, was an Empfindungen aus seinem Leib aufsteigt. Erst beim Menschen trennt sich, wesentlich bedingt durch seine aufrechte Haltung, die Sinnessphäre soweit von seinem Ernährungspol, daß so ganz getrennte Erlebnisbereiche entstehen. Das Tier empfindet nicht bewußt durch die Sinne die Außenwelt, sondern vielmehr den Schmerz, den diese in seinen Sinnesorganen erregt. So wie es grob den Hunger aus den Tiefen seines Wesen aufsteigen fühlt, so spürt es leiser das, was die Reize in seinen Sinnen zerstören. Das Tier erlebt die Farbenwelt, die Töne, Wärme und Kälte usw., aber es erlebt sie in seinen Organen. Alle diese Erlebnisse sind, aus menschlicher Perspektive betrachtet, gesetzmäßig auf die Außenwelt bezogen und das Tier kann sich danach orientieren. Aber niemals wird ihm die Außenwelt zu einem von seinem Wesen abgesonderten Bild, dem das Tier bewußt gegenübertritt. Interessant ist, daß auch Blindgeborene, denen operativ das Augenlicht geschenkt werden konnte, oft ähnliches berichten. Zuerst, so berichten viele, erleben sie die Farbe im Auge, noch nicht in der Welt. Dann erst allmählich erscheint ihnen die Welt wie eine farbige Fläche, noch ohne räumliche Qualität, in der sich erst später Vertiefungen und Erhöhungen bilden, die endlich zur vollen räumlichen Anschauung führen. Weil unser Bewußtsein beständig zwischen Weltbezug und Selbstbezug schwankt, ohne das uns das allerdings bewußt auffällt, fühlen wir uns als Subjekt den Objekten gegenübergestellt. Damit ist die Basis für unser Ichbewußtsein gegeben, das den Tieren noch fehlt. Das Selbstbewußtsein, das dadurch zugleich auch Weltbewußtsein ist, steht eine Stufe höher als das bloße Bewußtsein, über das auch die Tiere verfügen.

Rhythmischen Schwankungen ist das Bewußtsein unterworfen. Es zieht sich entweder in die Tiefen des eigenen Wesens zurück, oder es dehnt sich an die Peripherie, wo die Sinnesorgane sind, aus und darüber hinaus in die Welt. In den Sinnen erlebt auch das Tier das äußere Weltgeschehen mit, wenn es auch dieses noch mit seinem eigenen Leibesgeschehen untrennbar verbunden fühlt. Wenn die Seele sich weitet, leidet sie gleichsam mit dem Weltgeschehen mit, wenn sie sich in sich selbst verschließt, dann spürt sie ihr eigenes Leid. Es sind die Kräfte der Sympathie, des Mitleidens mit der Welt, und der Antipathie, des Sich-Verschließens vor der Welt, die das Seelenleben grundlegend bestimmen. Das läßt sich bis in die einzelnen Sinnesqualitäten hinein verfolgen. Wer aufmerksam beobachtet, wird bemerken, wie er das Rot als leise bedrängend empfindet und wie er sich ihm gegenüber in sein eigenes Wesen zurückzieht und hier seine Kräfte sammelt. Das Blau hingegen zieht die Seele selbstvergessen in die Ferne. Die Quart weckt auf, die Terz bewegt uns innerlich, die Septime führt uns an die Traumwelt heran. In den Dur-Klängen fühlen wir unser Wesen erweitert, in den Mollakkorden ziehen wir uns schmerzvoll in uns selbst zurück. Die Wärme weitet unsere Seele, die Kälte zieht sie zusammen – und so ließen sich noch endlose Beispiele finden. Immer schwankt unser Seelenleben zwischen Selbstgefühl und Selbstvergessenheit, zwischen Egoismus uns Altruismus, wenn wir es moralisch kennzeichnen wollen. Zwischen diesen Extremen pulsiert auch die Seele des Tieres, aber doch niemals soweit, daß sich das Selbstbewußtsein wirklich vom Weltbewußtsein scheiden könnte. Denn was die beiden wirklich voneinander scheidet, ist das individuelle menschliche Ich, über das die Tiere nicht verfügen.

Rhythmisch schwankt das Seelenleben zwischen Sympathie und Antipathie, und damit zugleich zwischen Wachen und Schlafen. Wenn sich die Seele durch die Kräfte der Sympathie weitet, sich gleichsam immer mehr "verdünnt", dann dämpft sich das Bewußtsein. Die Seele schläft sich gleichsam in die Welt hinein. Zieht sie sich aber in sich selbst zusammen, erwacht das Bewußtsein immer mehr. Würde sich die Seele nur durch die Kräfte der Sympathie in die Welt verbreiten, käme niemals eine bewußte Wahrnehmung zustande. Die Seele wäre zwar mit der Welt verbunden, aber sie schliefe bewußtlos in ihr. Damit das Bewußtsein für die sinnlichen Eindrücke erwacht, müssen sich ihr die Kräfte der Antipathie entgegenstellen. Die Seele muß sich, um wahrnehmen zu können, durch die Sinne in die Welt hinaus dehnen, aber sie muß zugleich in ganz spezifischer Weise auch wieder zurückgestoßen werden. Das helle Licht, das uns bedrängt, erweckt unser Bewußtsein, die Finsternis saugt uns gleichsam seelisch aus und wir schlafen für die Außenwelt. Und ähnlich auch für die verschiedenen Farbnuancen: das Rot weckt uns auf, das Blau schläfert uns ganz leise ein usw. Kaum anders bei unseren körperlich inneren Erlebnissen. Wenn sich die Seele in den ganzen Organismus verbreitet, dann schwindet das Körperbewußtsein dahin. Und das ist für uns Menschen sogar der normale Zustand. Sind wir gesund, spüren wir kaum, was in unseren inneren Organen vorgeht, und erst Hunger oder Durst etwa lassen uns unseren Körper deutlicher spüren. Dann aber liegt bereits ein Mangel vor, von dem sich die Seele zurückgestoßen fühlt. So wechselt die Seele beständig zwischen partiellem Wachen und Schlafen, und zwischen beiden liegt auch ein beständiges Träumen. Ganz irrtümlich wäre es zu glauben, daß wir nur in der Nacht schlafen und bei Tag vollkommen wach sind. Für große Teile unseres Wesens schlafen wir auch tagsüber, und von anderen träumen wir nur; das fällt uns nur deshalb nicht auf, weil unser hellwaches Tagesbewußtsein diese beständig vorüberziehenden Träume verdeckt. Auf wie vieles richten sich tagein und tagaus unsere Augen und wir sehen es doch nicht bewußt. Wieviel entgeht doch völlig unserer Aufmerksamkeit. Was so von unserem Bewußtsein nicht aufgefangen wird, wirk aber dafür umso mehr in die Tiefe unseres Wesens. Unser noch so wenig entwickeltes waches Bewußtsein ist von den herniederstürzenden Reizen meist hoffnungslos überfordert. Das Reizchaos, das unsere moderne großstädtische Welt erfüllt, wirkt so für uns völlig unbewußt schädigend bis in unseren Leib hinein, und zwar primär vorallem auf unser Nervensystem, während eine harmonische Umwelt gesundend wirkt. Das heute Nervenerkrankungen immer mehr zunehmen, kommt nicht ohne Grund! Die Bildekräfte, die nicht vom Bewußtsein aufgenommen werden, müssen sich zwangsläufig dem Leib zuwenden, und wenn sich dieser nicht ihnen gemäß formen lassen will, dann zerbrechen sie gleichsam den Leib. Dagegen kann einzig helfen, das Bewußtsein zu stärken. Und das vermag der Mensch, wenn er nur will, durch die Kraft seines Ich. Der Mensch nimmt nicht wie das Tier bloß passiv jene Bildekräfte auf, die ihm sein physischer Leib zurückreflektiert, sondern er kann sie aktiv in seine Seele einsaugen. Und die Seele vermag umsomehr in sich aufzunehmen, je weiter sie sich dehnt – ohne dabei das Bewußtsein zu verlieren. Das geht aber nur, wenn die Ichkraft das Bewußtsein immer mehr stärkt und immer wacher macht. Das Tier bringt es niemals zum vollen Wachbewußtsein, es träumt beständig. Daher ist es auch den auf es einflutenden Reizen hilflos ausgeliefert und es kann nur dann gesund leben, wenn es eine geeignete Umgebung findet. Das kann einfach die natürliche Umwelt sein, für die es geschaffen ist, daß können aber auch jene Bedingungen sein, die ihm der einfühlsame Mensch im liebevollen Umgang mit ihm selbst schafft. Das Tier ist geradezu ein verkörpertes Bild seines arttypischen seelischen Lebens, und wird dieses gestört, dann leidet unmittelbar auch der Leib. Und wir sind heute bereits soweit, daß die Natur dem Tier von sich aus immer weniger geben kann, wessen es bedarf. Der Weg zurück zur unverfälschten Natur kann nicht mehr beschritten werden. Die ganze Erde wird durch des Menschen Hand immer mehr zur Kulturlandschaft. Das kann nicht anders sein, wenn der Mensch auf Erden die für ihn nötigen Bedingungen finden will, denn der Mensch ist nicht nur ein Naturwesen, sondern er soll immer mehr ein Kulturwesen werden. Aber dann muß er zugleich neue Bedingungen erschaffen, unter denen das Leben der Tiere und Pflanzen nicht erstirbt. Der Mensch ist zum verständnisvollen Pfleger der Natur berufen. Er hat sich auf Kosten der Natur entwickeln können und muß nun seine Schuld abtragen.

Weil der Mensch durch sein Ich den geistigen Funken in sich trägt, ist seine Seele nicht nur dem Sinnesleben und seinen inneren Körpervorgängen zugewandt, sondern auch dem geistigen Leben. Beim Tier mischen sich sinnliche Erlebnisse und Körperempfindung stets ineinander, in der menschlichen Seele entfaltet sich aber dazwischen ein Bereich, der vom Geist her bestimmt wird. Denken, Fühlen und Wollen sind solche seelischen Qualitäten, die vom geistigen Leben geleitet werden und über die kein einziges Tier verfügt. Kein Tier vermag selbstständig zu denken, kein Tier hat Gefühle im menschlichen Sinne, sondern Emotionen, die seiner körperlichen Verfassung entspringen, und es kann kein eigenes freies Wollen entfalten, sondern es wird von Trieben gepackt, die seinen Stoffwechselkräften entstammen. All das spielt auch in das menschliche Leben herein, darin lebt das Tier in uns; zum eigentlichen Menschen wird der Mensch aber erst, wenn er das geistige Leben in sich entfaltet und in seiner Seele bewußt werden läßt. Der Weg der Menschwerdung ist noch nicht vollendet, er hat eigentlich gerade erst begonnen. Die Natur hat ihm die Grundlage geboten, auf der er sich entwickeln kann. Aber der Mensch ist, wie schon Herder gesagt hat, "der erste Freigelassene der Schöpfung". An uns liegt es, diese Freiheit nutzen zu lernen!

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