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Rudolf Steiner

Anthroposophische Leitsätze


DIE FREIHEIT DES MENSCHEN UND DAS MICHAEL-ZEITALTER

In der Erinnerungsfähigkeit des Menschen lebt das persönliche Abbild einer kosmischen Kraft, die in der Art am menschlichen Wesen gewirkt hat, wie das die letzten Betrachtungen gezeigt haben. Diese kosmische Kraft ist aber auch gegenwärtig noch tätig. Sie wirkt als Wachstumskraft, als belebender Impuls im Hintergrunde des Menschenlebens. Da wirkt sie mit ihrem größeren Anteile. Sie sondert nur einen kleinen Teil von sich ab, der als Tätigkeit in die Bewußtseinsseele eintritt. Da wirkt er als Erinnerungskraft.

Man muß diese Erinnerungskraft im rechten Lichte sehen. - Wenn der Mensch in der gegenwärtigen Epoche des kosmischen Werdens mit den Sinnen wahrnimmt, so ist dies Wahrnehmen ein augenblickliches Aufleuchten von Weltbildern im Bewußtsein. Das Auf leuchten kommt, wenn der Sinn auf die Außenwelt gerichtet ist; es durchhellt das Bewußtsein; es verschwindet, wenn der Sinn sich nicht mehr an die Außenwelt richtet. - Was da in der Menschenseele aufleuchtet: es darf nicht Dauer haben. Denn brächte der Mensch es nicht rechtzeitig aus seinem Bewußtsein heraus, er verlöre sich an den Bewußtseinsinhalt. Er wäre nicht mehr er selbst. Nur kurze Zeit, in den sogenannten Nachbildern, die Goethe so sehr interessierten, darf im Bewußtsein das «Leuchten» durch die Wahrnehmung leben. Es darf dieser Bewußtseinsinhalt auch nicht zum Sein erstarren; er muß Bild bleiben. Er darf ebensowenig real werden, wie das Bild im Spiegel real werden kann.

An etwas, das sich als Realität im Bewußtsein auslebte, würde sich der Mensch ebenso verlieren wie an das, was durch sich selbst Dauer hätte. Auch da könnte er nicht mehr er selbst sein.

So ist das sinnenfällige Wahrnehmen der Außenwelt ein innerliches Malen der Menschenseele. Ein Malen ohne Malsubstanz. Ein Malen im Geistwerden und Geistvergehen. Wie der Regenbogen in der Natur ersteht und dahingeht, ohne eine Spur zu hinterlassen, so ersteht die Wahrnehmung und geht dahin, ohne daß sie Erinnerung durch ihr eigenes Wesen zurückläßt.

Aber gleichzeitig mit jeder Wahrnehmung verläuft zwischen der Menschenseele und der Außenwelt ein anderer Vorgang. Ein solcher, der im mehr zurückliegenden Teile des Seelenlebens liegt. Da, wo die Wachstumskräfte, wo die Lebensimpulse wirken. In diesem Teile des Seelenlebens prägt sich beim Wahrnehmen nicht nur ein vorübergehendes Bild, sondern ein dauerndes, reales Abbild ein. Das kann der Mensch ertragen, denn das hängt mit dem Sein des Menschen als Weltinhalt zusammen. Indem dies sich vollzieht, kann er ebensowenig sich verlieren, wie er sich verliert, da er ohne sein volles Bewußtsein wächst, sich ernährt.

Wenn nun der Mensch seine Erinnerungen aus seinem Innern holt, dann ist das ein inneres Wahrnehmen dessen, was geblieben ist in dem zweiten Vorgang, der sich beim äußeren Wahrnehmen abspielt.

Wieder malt die Seele, jetzt aber das im eigenen menschlichen Innern lebende Vergangene. Wieder darf im Bewußtsein bei diesem Malen kein dauerndes Reales, sondern nur ein erstehendes und vergehendes Bild sich formen.

So hängen in der Menschenseele wahrnehmendes Vorstellen und Erinnern zusammen.

Aber die Erinnerungskräfte haben das fortwährende Bestreben, mehr zu sein, als sie sein können, wenn der Mensch als selbstbewußtes Wesen sich nicht verlieren soll.

Denn die Erinnerungskräfte sind Reste der Vergangenheit im Menschenwerden und kommen als solche in das Machtgebiet Luzifers. Dieser hat das Bestreben, im Menschenwesen die Eindrücke der Außenwelt so zu verdichten, daß sie fortwährend als Vorstellen im Bewußtsein leuchten.

Dieses luziferische Bestreben würde von Erfolg gekrönt sein, wenn die Michael-Kraft ihm nicht entgegenwirkte. Sie läßt das im inneren Lichte Gemalte nicht zum Sein erstarren, sondern erhält es im erstehenden und vergehenden Bilde.

Die überschüssige Kraft, die da aber durch Luzifer heraufdrängt aus dem menschlichen Innern, sie wird im Michael-Zeitalter umgewandelt werden in imaginierende Kraft. Denn allmählich wird in das allgemeine intellektuelle Menschheitsbewußtsein die Kraft der Imagination einziehen. - Damit aber wird der Mensch sein Gegenwartsbewußtsein nicht mit dauerndem Realen belasten; das bleibt in erstehenden und vergehenden Bildern wirksam. Mit seinen Imaginationen aber ragt der Mensch in eine höhere Geistwelt hinauf, wie er mit seinen Erinnerungen in seine eigene Menschenwesenheit hineinragt. Der Mensch behält die Imaginationen nicht in sich; sie sind in das kosmische Sein eingezeichnet; und aus diesem kann er sie immer wieder in dem Bild-Vorstellungsleben abmalen.

So wird, was Michael bewahrt vor dem Erstarren im Menschen-Innern, von der geistigen Welt aufgenommen. Was der Mensch von der Kraft des bewußten Imaginierens erlebt, das wird zugleich Welt-Inhalt. Daß dies so sein kann, ist ein Ergebnis des Mysteriums von Golgatha. Die Christuskraft prägt die Menschen-Imagination dem Kosmos ein. Die Christuskraft, die mit der Erde verbunden ist. Solange sie nicht mit der Erde verbunden war, sondern von außen auf die Erde als Sonnenkraft wirkte, gingen alle Wachstums- und Lebensimpulse in das Menschen-Innere. Der Mensch wurde durch sie aus dem Kosmos heraus gebildet und erhalten. Seit der Christus-Impuls mit der Erde lebt, wird der Mensch in seiner selbstbewußten Wesenheit dem Kosmos wieder zurückgegeben.

Der Mensch ist aus einem Weltenwesen ein Erdenwesen geworden; er ist dazu veranlagt, wieder ein Weltenwesen zu werden, nachdem er als Erdenwesen er selbst geworden ist.

In dieser Tatsache, daß der Mensch in seinem augenblicklichen Vorstellen nicht im Sein, sondern nur in einer Spiegelung des Seins, in einem Bild-Sein lebt, liegt die Möglichkeit der Entfaltung der Freiheit. Alles Sein im Bewußtsein ist ein zwingendes. Allein das Bi/d kann nicht zwingen. Soll durch seinen Eindruck etwas geschehen, so muß es ganz unabhängig von ihm geschehen. - Der Mensch wird dadurch frei, daß er mit seiner Bewußtseinsseele aus dem Sein sich erhebt und in dem nicht-seienden Bildwesen auftaucht.

Da entsteht die bedeutsame Frage: Verliert denn der Mensch das Sein nicht, indem er es mit einem Teile seines Wesens verläßt und sich in das Nicht-Sein stürzt?

Hier ist wieder einer der Punkte, wo man mit der Betrachtung der Welt vor einem der großen Rätsel steht.

Was im Bewußtsein als Vorstellen erlebt wird, ist aus dem Kosmos heraus entstanden. Dem Kosmos gegenüber stürzt sich der Mensch in das Nicht-Sein. Er befreit sich im Vorstellen von allen Kräften des Kosmos. Er malt den Kosmos, außerhalb dessen er ist.

Wäre es nur so, so leuchtete im Menschenwesen für einen kosmischen Augenblick die Freiheit auf; aber in demselben Augenblick löste sich auch die Menschenwesenheit auf. -Aber, indem im Vorstellen der Mensch frei wird vom Kosmos, ist er doch in seinem nicht-bewußten Seelenleben an seine vorigen Erdenleben und Leben zwischen Tod und neuer Geburt angegliedert. Er ist als bewußter Mensch im Bild-Sein, und er hält sich mit seinem Unbewußten in der geistigen Realität. Während er im gegenwärtigen Ich die Freiheit erlebt, hält ihn sein vergangenes Ich in dem Sein.

In bezug auf das Sein ist im Vorstellen der Mensch ganz dem hingegeben, das er durch die kosmische und irdische Vergangenheit hindurch geworden ist.

Es ist in der Menschen-Entwickelung hier auf den Abgrund des Nichts gedeutet, über den der Mensch springt, indem er ein freies Wesen wird. Michaels Wirken und der Christus-Impuls machen den Sprung möglich.

Goetheanum, Januar 1925.

 

Lit.: GA 26

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