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Timaios

Übersetzt von Franz Susemihl (1856)

Sokrates · Timaios · Kritias · Hermokrates

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Timaios: So wollen wir denn sagen, welcher Grund  den, der dieses All, das Reich des Werdens, zusammenfügte, zu dieser seiner Wirksamkeit bewogen  hat. Er war gut, und in einem Guten entsteht niemals Neid, worauf sich derselbe auch immer beziehen könnte, und, weil frei von diesem, wollte er  denn auch, daß alles ihm selbst so ähnlich als möglich werde. Diesen Ausgangspunkt des Werdens  und der Welt dürfte man daher wohl mit dem größten Rechte einsichtigen Männern als den eigentlichsten zugestehen. Da nämlich Gott wollte, daß, soweit es möglich, alles gut und nichts schlecht sei,  da er aber alles, was sichtbar war, nicht in Ruhe,  sondern in regelloser und ungeordneter Bewegung  vorfand, so führte er es denn aus der Unordnung in  die Ordnung hinüber, weil er der Ansicht war, daß  dieser Zustand schlechthin besser als jener sei. Es  war aber und ist recht, daß der Beste nichts anderes als das Schönste vollbringe, und da fand er nun,  indem er es bei sich erwog, daß unter den ihrer  Natur nach sichtbaren Dingen kein vernunftloses  Werk jemals schöner sein werde als ein vernunftbegabtes, wenn man beide als Ganze einander gegenüberstellt, daß aber wiederum Vernunft ohne Seele  unmöglich irgend einem Gegenstande zuteil werden könne. In dieser Erwägung bildete er die Vernunft  in eine Seele und die Seele in einen Körper ein und  fügte so aus ihnen den Bau des Weltalls zusammen, um so naturgemäß das möglichst schönste  und beste Werk vollendet zu sehen. Und so darf  man es denn mit Wahrscheinlichkeit aussprechen,  daß diese Welt als ein wirklich beseeltes und vernünftiges Wiesen durch Gottes Vorsehung entstanden ist.

Nachdem dies festgestellt ist, müssen wir wiederum das hieran zunächst sich Anschließende besprechen: welches lebendige Wesen sich denn der  Meister bei ihr zum Vorbilde genommen hat, um  sie ihm ähnlich zu bilden? Von allem nun, was zur  Gattung der Teile gehört, werden wir sie mit nichts  in Vergleich bringen wollen, denn was dem Unvollkommenen gleicht, kann nicht schön sein; wohl aber werden wir sie demjenigen, wovon die übrigen lebendigen Wiesen als Einzelne sowie nach ihren  Gattungen bloße Teile sind, als am allerähnlichsten setzen. Denn alle die lebendigen Wesen, welche allein dem Gedanken zugänglich sind, faßt jenes  ebenso in sich zusammen, wie diese Welt uns und  alle übrigen Geschöpfe, welche sichtbar gebildet  sind. Denn da Gott sie dem schönsten und in allen  Stücken vollkommenen unter allen Gegenständen  der Gedankenwelt am ähnlichsten machen wollte,  so fügte er sie zu einem einzigen sichtbaren lebendigen Wesen zusammen, welches alle ihrer Natur  nach mit ihm verwandten belebten Wesen in sich  enthielt. Sprechen wir also mit Recht nur von einer  Welt, oder wäre es richtiger, von vielen, ja von  einer unbegrenzten Zahl zu reden? Nur von einer  kann die Rede sein, wenn anders sie wirklich nach  ihrem Urbilde ins Werk gesetzt sein soll. Denn  jenes, alle nur immer der Gedankenwelt angehörigen belebten Gebilde umfassende Wiesen kann unmöglich ein zweites neben einem anderen sein;  denn dann müßte es wiederum noch ein anderes,  jene beiden umfassendes Wesen geben, dessen  Teile dann also jene beiden wären, und es würde  dann die Welt nicht mehr ein jenen beiden, sondern vielmehr ein diesem sie Umfassenden Nachgebildetes richtiger genannt werden. Damit sie also als  gleichfalls einzig in ihrer Art dem vollkommenen  lebendigen Wesen ähnlich wäre, darum bildete der  Schöpfer weder zwei noch auch unzählige Welten,  sondern, wie dies Weltgebäude als ein einzig geborenes entstanden ist, so besteht es auch und wird  auch fernerhin also bestehen.

Körperlich, sichtbar und fühlbar muß nun aber  das Gewordene sein. Ohne das Feuer aber kann  schwerlich je etwas sichtbar werden, noch fühlbar  ohne etwas Festes und fest wiederum nicht ohne  Erde: daher bildete Gott den Körper des All, als er  ihn zusammenzusetzen begann, zunächst aus Feuer und Erde. Zwei Dinge allein aber ohne ein Drittes  wohl zusammenzufügen ist unmöglich, denn nur  ein vermittelndes Band kann zwischen beiden die  Vereinigung bilden. Von allen Bändern ist aber  dasjenige das schönste, welches zugleich sich  selbst und die durch dasselbe verbundenen Gegenstände möglichst zu einem macht. Dies aber auf  das schönste zu bewirken, ist die Proportion da.  Denn wenn von drei Zahlen oder Massen oder  Kräften von irgend einer Art die mittlere sich ebenso zur letzten verhält wie die erste zu ihr selber,  und ebenso wiederum zu der ersten wie die letzte  zu ihr selber, dann wird sich ergeben, daß, wenn  die mittlere an die erste und letzte, die erste und  letzte dagegen an die beiden mittleren Stellen gesetzt werden, das Ergebnis notwendig ganz dasselbe bleibt; bleibt dies aber dasselbe, so sind sie alle  damit wahrhaft untereinander Eins geworden.  Wenn nun der Leib des Alls eine bloße Fläche  ohne alle Höhe hätte werden sollen, dann würde  ein Mittelglied genügt haben, das andere unter sich und sich selber mit ihm zusammenzubinden; nun  aber kam es ihm zu, ein Körper zu sein, und alle  Körper werden nie durch ein, sondern stets durch  zwei Mittelglieder zusammengehalten, und so stellte denn Gott zwischen Feuer und Erde das Wasser  und die Luft in die Mitte, indem er sie so viel als  möglich unter einander in dasselbe Verhältnis  brachte, so daß sich das Feuer ebenso zur Luft wie  die Luft zum Wasser, und wie die Luft zum Wasser so das Wasser zur Erde sich verhalten sollte, und  verband und fügte auf diese Weise das Weltall zusammen, so daß es sichtbar und fühlbar wurde. 

Und so wurde denn zu diesem Zwecke und aus diesen also beschaffenen und ihrer Zahl nach auf vier  sich belaufenden Wesenheiten der Körper der Welt  geschaffen, so daß er vermittelst der Proportion innerlich zusammenstimmte, und besaß dadurch eine  solche Anhänglichkeit seiner Teile unter einander,  daß er sich mit sich selber in Eins zusammenzog  und unauflöslich für jeden anderen ward als für den Urheber der Verbindung.

Von diesen vieren nun hat das Weltgebäude ein  jedes ganz erhalten. Denn aus allem Feuer und  Wasser und aus aller Luft und Erde fügte es der  Bildner zusammen und ließ von keinem derselben  irgend einen Teil oder eine Kraft außerhalb zurück, indem er dies dabei bezweckte: zunächst, daß es als organisches Wesen zu einem möglichst vollkommenen Ganzen durch sein Bestehen aus möglichst  vollkommenen Teilen werde; sodann, daß es ein  einziges sei, sofern nichts übriggeblieben, woraus  ein anderes von derselben Art entstehen könnte;  ferner auch dem Alter und der Krankheit nicht ausgesetzt, indem er erwog, daß, wenn einen zusammengesetzten Körper Hitze und Kalte und alles,  was sonst starke Wirkungen ausübt, von außen her  umgeben und zur Unzeit mit ihm zusammentreffen, sie ihn in Auflösung versetzen und ihm durch Herbeiführung von Krankheit und Alter seinen allmählichen Untergang bereiten. Aus diesem Grunde und in dieser Erwägung erbaute er denn diese Welt als  ein einziges Ganzes, welches selbst wieder aus lauter Ganzen besteht und eben deshalb frei ist von  Alter und Krankheit. Sodann gab er ihr auch eine  Gestalt, wie sie ihr angemessen und ihrer Natur  verwandt ist. Demjenigen lebendigen Wesen, welches alles andere Lebendige in sich fassen soll,  dürfte nun wohl auch eine Gestalt angemessen sein, welche alle anderen Gestalten in sich faßt. Deshalb  drehte er sie denn auch kugelförmig, so daß sie von der Mitte aus überall gleich weit von ihren Endpunkten entfernt war, nach Maßgabe der Kreisform, welche von allen Gestalten die vollkommenste und am meisten sich selber gleiche ist, indem er das Gleiche für tausendmal schöner als das Ungleiche hielt; auswendig aber machte er sie ringsherum  auf das genaueste vollständig glatt, und zwar aus  vielerlei Gründen. Bedurfte sie doch der Augen  nicht, denn es war nichts Sichtbares, noch auch der  Ohren, denn es war nichts Hörbares außerhalb  ihrer zurückgelassen; ebenso bestand keine Luft,  welche sie noch umgeben und der Einatmung bedurft hätte; auch war sie keines Werkzeuges bedürftig, um vermittelst desselben Nahrung zu sich  zu nehmen und die früher zu sich genommene,  nachdem sie den eigentlichen Nahrungssaft von ihr  ausgesogen, wieder von sich zu geben; denn nichts  sonderte sich von ihr aus, und nichts trat irgendwoher zu ihr hinzu, denn es gab nichts außer ihr; vielmehr ist sie kunstvoll dergestalt gebildet, daß ihre  Aussonderungen ihr auch zugleich wieder zur Nahrung dienen, und daß sie alles innerhalb ihrer selbst erleidet und alles durch sich selber tut; denn es  hielt der, welcher sie zusammenfügte, sie für vollkommener und besser, wenn sie sich selbst genügte, als wenn sie eines anderen bedürfte. Hände  aber, die ihr weder um irgend etwas anzugreifen  noch auch abzuwehren erforderlich waren, glaubte  er nutzloserweise ihr nicht anfügen zu dürfen, und  ebenso wenig Füße sowie überhaupt die zum  Gehen dienenden Glieder. Denn er teilte ihr eine  Bewegung zu, die einem Körper von der Gestalt  des ihrigen eigentümlich und von allen sieben Bewegungen diejenige ist, die am meisten der der  Vernunft und Erkenntnis nahe kommt. Nämlich  gleichmäßig in demselben Räume und in sich selber führte er sie herum und ließ sie so sich umschwingend im Kreise bewegen; alle sechs andern  Bewegungen aber nahm er ihr ab und machte sie  von deren Irrwandel frei, und da sie zu jenem Umlauf um sich selbst der Beine nicht bedurfte, so ersehnter sie ohne Schenkel und Füße.

Diese ganze Erwägung nun also desjenigen Gottes, welcher von Ewigkeit ist, wie dieser sie über  denjenigen Gott anstellte, welcher erst ins Dasein  eintreten sollte, bewirkte, daß der Körper der Welt  glatt und eben und überall gleich weit vom Mittelpunkte abstehend und in sich geschlossen und vollständig aus Körpern, die schon selber vollständig  waren, gebildet wurde. Die Seele aber pflanzte er  in die Mitte desselben ein und spannte sie nicht  bloß durch das ganze Weltall aus, sondern umkleidete den Weltkörper auch noch von außen mit ihr.  Und so richtete er denn das Weltganze her als einen im Kreise sich drehenden Umkreis, der, einzig und  einsam, durch seine Vortrefflichkeit mit sich selber  des Umgangs zu pflegen vermag und keines anderen dazu bedarf, sondern hinlänglich bekannt und  befreundet ist allein mit sich selber, und durch alle  diese Veranstaltungen schuf er es zu einem seligen  Gotte.

Die Seele hat nun aber nicht etwa, wie wir jetzt  später von ihr zu reden beginnen, so auch Gott erst  nach dem Körper gebildet; denn nicht würde er bei der Zusammenfügung beider zugelassen haben, daß das Altere von dem Jüngeren beherrscht werde;  sondern wir, wie wir vielfach vom Zufall und Ungefähr abhängig sind, reden nur gerade eben auf  dem entsprechende Weise; er dagegen fügte die  Seele so, daß sie ihrer Entstehung sowie ihrer Vortrefflichkeit nach dem Körper voranging und ihm  gegenüber die dem höheren Alter zustehende  Würde empfing, als seine künftige Herrin und Gebieterin aus folgenden Bestandteilen und auf folgende Weise zusammen; Aus beiden, nämlich aus  der unteilbaren und immer sich gleich bleibenden  Wesenheit und sodann derjenigen, welche an den  Körpern teilbar wird, mischte er sie als eine dritte  Art von Wesenheit zusammen, welche die Mitte  hielt zwischen der Natur des Selbigen und der des  Anderen, und stellte sie alle drei demgemäß in  einer Reihe vor sich hin, so daß unter ihnen jene  die Mitte einnahm zwischen dem Unteilbaren und  dem an den Körpern haftenden Geteilten. Darauf  nahm er alle drei und mischte sie zu einer einzigen  Gestaltung zusammen, indem er die der Mischung  widerstrebende Natur des Anderen gewaltsam mit  dem Selbigen verträglich machte. Und nachdem er  so beide mit der Seelensubstanz gemischt und so  aus Dreien Eins gemacht hatte, teilte er wiederum  dieses Ganze in so viel Teile, als es sich gehörte,  so aber, daß ein jeder aus dem Selbigen, dem Anderen und der Seelensubstanz zusammengesetzt  war. Er begann aber diese Teilung folgendermaßen: Zuerst nahm er einen Teil von dem Ganzen weg,  darauf das Doppelte desselben, zum dritten sodann  das Anderthalbfache des zweiten Teils, zum vierten das Doppelte des zweiten, zum fünften das Dreifache des dritten, zum sechsten das Achtfache des ersten und zum siebten das Siebenundzwanzigfache  des ersten. Hierauf füllte er sowohl die zweifachen  als dreifachen Zwischenräume aus, indem er noch  weitere Teile vom Ganzen abschnitt und sie in die  Mitte von ihnen hineinsetzte, so daß in jedem Zwischenraume zwei Mittelglieder waren, von denen  das eine um den gleichen Bruchteil der äußeren  Glieder das eine der letzteren übertraf und von andern übertroffen wurde, das andere aber um eine  gleiche Zahl. Da nun aber Zwischenräume von 1  1/2, 1 1/3 und 1 1/8 durch diese Verbindungsglieder innerhalb der frühem Zwischenräume entstanden waren, so füllte er mit dem Zwischenraume von 1 1/8 alle Zwischenräume von 1 1/3 aus und ließ  so von einem jeden der letzteren noch einen Teil  übrig, so daß der Zwischenraum dieses Teiles, in  Zahlen ausgedrückt, dem Verhältnisse der Glieder  243 zu 256 entsprach. Und damit hatte er denn  auch die Mischling, von welcher er alle diese Teile  hinwegnahm, ganz und gar verbraucht. Dies ganze  so zusammengefügte Gebilde aber spaltete er hierauf der Länge nach in zwei Teile, verband dieselben kreuzweise in ihrer Mitte, so daß sie die Gestalt eines Chi (X) bildeten, und bog dann jeden  von beiden in einen Kreis zusammen, so daß er  also jeden mit sich selbst und beide mit einander in dem Punkte, welcher ihrer Durchschneidung gegenüberlag, verknüpfte, umschloß beide mit der auf  dieselbe Weise und in demselben Räume herumgeführten Bewegung und machte den einen dieser  Kreise zum äußeren und den andern zum inneren.  Den Umlauf sodann, der im äußeren, und den, der  im inneren Kreise vor sich ging, benannte er nach  den beiden Wesenheiten, von welchen sie herrührten, jenen den des Selbigen und diesen den des Anderen, und führte den ersteren in der Richtung der  Seite nach rechts herum, den letzteren aber in der  Richtung der Diagonale nach links. Das Übergewicht aber verlieh er dem des Selbigen und Gleichartigen, denn er beließ ihn in ungeteilter Einheit;  den inneren aber spaltete er sechsfach und teilte ihn so in sieben ungleiche Kreise, je nach den Zwischenräumen des Zweifachen und Dreifachen, und  setzte fest, daß zwar einander entgegengesetzt die  Kreise sich bewegen sollten, drei aber an Geschwindigkeit gleich, vier hingegen unter sich und  von den dreien verschieden, jedoch so, daß sie sich  nach einem bestimmten Verhältnisse bewegten. Nachdem nun nach dem Sinne des Meisters die  ganze Zusammenfügung der Seele erfolgt war, bildete er hierauf alles, was körperlich ist, innerhalb  derselben und fügte es so zusammen, daß es dieselbe mitten durchdrang. Sie selbst aber, die sie nicht  bloß das ganze Weltgebäude überall von der Mitte  bis zum Umkreise durchflocht, sondern es auch von außen her ringsherum einschloß und die sie rein in  sich selber ihren Kreislauf vollbrachte, nahm in  dieser Weise den göttlichen Anfang eines unvergänglichen und vernunftbegabten Lebens für alle  Zeiten. Und der Körper der Welt ward, wie gesagt,  sichtbar, sie selbst aber zwar unsichtbar, aber, was  sie eben erst zur Seele macht, der Vernunft und  Harmonie der reinen Gedankenwelt und des ewig  Seienden teilhaftig und so durch den edelsten  Schöpfer das Edelste von allem Geschaffenen. Da  sie nämlich aus der Natur des Selbigen und des Anderen und der Seelensubstanz, also aus ihrer drei  Teilen, zusammengemischt und nach festen Verhältnissen geteilt und verbunden ist, und da sie in  ihrem Kreislaufe in sich selber stets zu sich selber  zurückkehrt, so wird sie, wenn sie mit irgend etwas in Berührung tritt, mag nun dasselbe ein teilbares  Wesen haben oder ein unteilbares, durch ihr ganzes Selbst hindurch bewegt und gibt eben hierdurch  kund, womit nur immer irgend etwas Dasselbige  oder wovon es verschieden ist, und in was für Beziehung vornehmlich und auf welche Art und  Weise und wann für dasselbe der Fall eintritt, was  immer und im Verhältnis zu wem immer sowohl  von dem Werdenden als auch von dem immer sich  Gleichbleibenden zu sein sowie zu erleiden. Wird  nun aber diese Kundgebung, welche das durch sich  selber Bewegte ohne Laut und Schall in sich trägt,  auf gleiche Weise wahr, mag sie nun auf das Andere oder auf das Selbige sich beziehen, so entstehen, wenn sie auf das sinnlich Wahrnehmbare gerichtet  ist und der Kreislauf des Anderen im richtigen  Gange die Kunde der Sache durch die ganze Seele  verbreitet hat, sichere und richtige Vorstellungen  und Meinungen; wenn sie aber auf das Vernünftige sich erstreckt und der Kreislauf des Selbigen,  indem er wohl vonstatten gegangen, ihr solche  Kunde gebracht hat, dann kommt notwendig vernünftige Einsicht und Wissenschaft zustande.  Wenn aber einer von allem, was da ist, dasjenige,  in welchem diese so wie jene entstehen, anders als  Seele nennen wollte, so würde er alles eher als die  Wahrheit sagen.

Als nun aber der Vater, welcher das All erzeugt  hatte, es ansah, wie es bewegt und belebt und ein  Bild der ewigen Götter geworden war, da empfand  er Wohlgefallen daran, und in dieser seiner Freude  beschloß er denn, es noch mehr seinem Urbilde  ähnlich zu machen. Gleichwie nun dieses selber ein unvergängliches Lebendiges ist, ebenso unternahm  er es daher, auch dieses All nach Möglichkeit zu  einem eben solchen zu machen. Nun war aber die  Natur des höchsten Lebendigen eine ewige, und  diese auf das Entstandene vollständig zu übertragen war eben nicht möglich; aber ein bewegtes  Bild der Ewigkeit beschließt er zu machen und bildet, um zugleich dadurch dem Weltgebäude seine  innere Einrichtung zu geben, von der in der Einheit beharrenden Ewigkeit ein nach der Vielheit der  Zahl sich fortbewegendes dauerndes Abbild, nämlich eben das, was wir Zeit genannt haben. Nämlich Tage, Nächte, Monate und Jahre, welche es vor der Entstehung des Weltalls nicht gab, läßt er jetzt  bei der Zusammenfügung desselben zugleich mit  ins Entstehen treten. Dies alles aber sind Teile der  Zeit, und das War und Wirdsein sind Formen der  entstandenen Zeit, obwohl wir mit Unrecht, ohne  dies zu bedenken, diese dem ewigen Sein beilegen.  Denn wir sagen ja von ihm: »es war, ist und wird  sein«, während ihm doch nach der wahren Redeweise allein das »es ist« zukommt, wogegen man  die Ausdrücke »es war« und »es wird sein« lediglich von dem in der Zeit fortschreitenden Werden  gebrauchen darf. Denn beides bezeichnet Bewegungen; demjenigen aber, welches sich unbeweglich  stets auf die gleiche Weise verhält, kommt es nicht  zu, weder älter noch jünger zu werden im Verlaufe  der Zeit, noch es ehemals oder jetzt geworden zu  sein oder es in Zukunft werden zu sollen; kurz, es  kommt ihm überhaupt nichts von alledem zu, was  das Werden mit den im Gebiete der Sinnenwelt  sich bewegenden Dingen verknüpft hat, sondern es  sind dies alles die Formen der die Ewigkeit nachahmenden und nach den Zahlenverhältnissen im Kreise sich fortbewegenden Zeit geworden. Und ebenso steht es mit Ausdrücken folgender Art: das Entstandene sei ein Entstandenes, und das Entstehende sei ein Entstehendes, und das Entstehenwerdende  sei ein Entstehenwerdendes, und das Nichtseiende  sei ein Nichtseiendes, welches alles keine genauen  Bezeichnungen sind. Doch dürfte gegenwärtig vielleicht nicht der schickliche Zeitpunkt dazu sein,  hierüber Bestimmungen zu treffen, wie es, genau  genommen, heißen müßte.

So entstand denn also die Zeit zugleich mit der  Welt, damit beide, zugleich ins Leben gerufen,  auch zugleich wieder aufgelöst würden, wenn ja  einmal ihre Auflösung eintreten sollte, und nach  dem Urbilde der schlechthin ewigen Natur, damit  die Welt ihr so ähnlich als möglich werde. Denn  das Urbild ist ein durch alle Ewigkeit Seiendes, sie  aber immerfort durch alle Zeit geworden, seiend  und sein werdend. Zufolge solcher Betrachtung und Überlegung Gottes in bezug auf die Zeit entstanden, damit diese hervorgebracht werde. Sonne,  Mond und die fünf anderen Sterne, welche den  Namen der Wandelsterne tragen, zur Unterscheidung und Bewahrung der Zeitmaße. Und nachdem  Gott den Körper eines jeden von ihnen gebildet  hatte, setzte er sie ihrer sieben in die sieben Kreise  hinein, welche der Umlauf des Anderen beschrieb,  den Mond in den, welcher zunächst um die Erde  kreiste, die Sonne in den zweiten oberhalb ihrer,  den Morgenstern (Venus) aber und den, welcher  dem Hermes (Merkur) heilig ist und nach ihm genannt wird, in die zwei nächsten, dem der Sonne an Geschwindigkeit gleichen Kreise, versah sie jedoch mit einer der Sonne entgegenstrebenden Kraft der  Bewegung, weshalb denn die Sonne und der Hermes (Merkur) und Morgenstern auf gleiche Weise  einander einholen und von einander eingeholt werden. Was aber die übrigen anlangt, so würde, wenn man von allen angeben sollte, wohin und aus  welchen Gründen er sie dahin versetzte, diese Auseinandersetzung, die doch nur eine beiläufige wäre, umständlicher sein als die Erörterung selber, welche uns hierauf geführt hat. Vielleicht wird denn  auch dieser Gegenstand späterhin bei größerer  Muße eine Darlegung finden, wie er sie verdient.  Nachdem nun also alle die Sterne, welche zur Erzeugung der Zeit mitwirken sollten, in den einem  jeden zukommenden Umschwung gebracht und  durch beseelte Bänder, die ihre Körper zusammenhielten, zu lebendigen Wesen erhoben und des  ihnen Aufgetragenen inne geworden waren, so gingen sie in dem Umschwunge des Anderen, welcher  schräg ist, indem er den Umschwung des Selbigen  durchschneidet und von ihm beherrscht wird,  herum, indem sie teils eine größere, teils eine kleinere Kreisbahn umschrieben, und zwar die, welche  eine kleinere beschrieben, schneller, und die, welche eine größere, langsamer. Und durch den Umschwung des Selbigen schienen nun dabei die, welche am schnellsten herumgingen, von den langsamer sich bewegenden eingeholt zu werden, während doch vielmehr diese die ersteren einholten;  denn da die Umkreisung des Selbigen alle Kreisbahnen dieser Gestirne sich schraubenförmig zu  drehen zwang, insofern diese Bahnen durch ihre  Einwirkung zwiefach in entgegengesetzter  Richtung fortrücken, so bewirkte sie den Schein,  als ob die sich am langsamsten von ihr, die sie das  Schnellste ist, entfernenden ihrer Geschwindigkeit  am nächsten kämen. Damit aber ein deutliches Maß für das gegenseitige Verhältnis von Langsamkeit  und Geschwindigkeit vorhanden wäre, mit welcher  die acht Umläufe sich bewegten, so zündete Gott in dem zweiten derselben von der Erde ab ein Licht  an, eben das, was wir jetzt Sonne nennen, auf daß  es möglichst durch das ganze Weltall schiene und  die belebten Wesen, so vielen immer dies zukam,  des Zahlenmaßes teilhaftig würden, dessen sie  durch die Umkreisung des Selbigen und Gleichartigen innegeworden. Tag und Nacht entstanden auf  diese Weise und durch diese Veranstaltung als der  Umlauf der einigen und vernünftigsten Kreisbewegung, der Monat aber, wenn der Mond seinen  Kreislauf vollendet und die Sonne eingeholt hat,  endlich das Jahr, sooft die Sonne ihre Bahn umschrieben hat. Die Umläufe der übrigen aber haben  die Menschen bis auf wenige unter den vielen nicht beachtet und geben ihnen daher weder besondere  Namen, noch messen sie sie gegen einander zufolge angestellter Beobachtungen nach Zahlen ab, so daß sie geradezu nicht einmal wissen, daß auch ihre  Bahnen, deren Menge verwirrt und deren Mannigfaltigkeit wunderbar ist, eine Zeit bezeichnen. Es  ist jedoch nichtsdestoweniger möglich, zu beobachten, daß die vollständige Zeitenzahl auch das vollständige große Jahr voll macht, dann, wenn die gegenseitigen Geschwindigkeiten aller acht Umläufe  zugleich beendigt zu ihrem Ausgangspunkte zurückkehren, sofern man sie nach dem Kreise des  Selbigen und sich gleichartig Bewegenden mißt.  Auf diese Weise also und zu diesem Zwecke wurden alle die Sterne hervorgebracht, welche den  Weltenraum in gewundener Linie durchwandern,  auf daß diese lebendige Welt dem vollkommenen  und nur dem Gedanken erfaßbaren Lebendigen so  ähnlich als möglich werde in Nachahmung seiner  schlechthin ewigen Natur.

Und in allen übrigen Stücken bis zu der Entstehung der Zeit hin war sie nun bereits dem Urbilde,  welchem sie nachgebildet wurde, entsprechend  vollendet; aber darin, daß sie noch nicht alle lebenden Wesen in sich faßte, so daß diese schon innerhalb ihrer entstanden waren, verhielt sie sich noch  unähnlich gegen dasselbe. Und so vollendete der  Bildner denn auch dies, was ihr noch mangelte,  indem er es nach der Natur des Urbildes ausprägte.  Wie viel nämlich und welcherlei Gestalten die Vernunft nur immer in dem wahrhaft seienden Lebendigen als ihm einwohnende erblickt, so viel und  solcherlei, glaubte er, müsse auch dieses  Gewordene empfangen. Es gibt aber deren vier: die eine das himmlische Geschlecht der Götter, die andere die geflügelte und die Lüfte durchschwebende, die dritte die im Wasser lebende Gattung, und die  vierte die, welche sich auf ihren Füßen bewegt und  auf dem Erdboden wohnt. Die Gestalt des Göttlichen nun bildete er größtenteils aus Feuer, damit es so glänzend und schön als möglich anzuschauen  wäre, machte es in Nachbildung des Weltganzen  wohlgerundet und versetzte es in das vernunftmäßige Denken des Mächtigsten als dessen Begleiter,  indem er es im Umkreise rings um das ganze Weltgebäude verteilte, auf daß es diesem ein wahrhafter  Schmuck und eine bunte Zierde nach dessen ganzem Umfange sei. Bewegungen aber heftete er ihrer zwei einem jeglichen aus diesem Kreise an: die  eine in demselben Räume und in gleichmäßiger  Weise als einem solchen, welches über dasselbe  stets dasselbe bei sich selber denkt, die andere nach vorne als einem solchen, welches von dem Umschwunge des Selbigen und Gleichartigen beherrscht wird; hinsichtlich der fünf anderen Bewegungen aber ließ er es unbewegt und stillstehend,  damit ein jedes dieser Wesen so vollkommen als  möglich würde. Aus dieser Ursache also sind alle  die Sterne geworden, welche wandellos als lebendige Wesen göttlich und unsterblich und  gleichmäßig in demselben Räume sich drehend  ewig verharren; diejenigen aber, welche ihre Stellung verändern und somit dem Wandel unterworfen sind, entstanden aus den Gründen, welche schon im Vorigen auseinandergesetzt sind. Die Erde aber,  unsere Ernährerin, welche um die durch das All gezogene Achse herumgeballt ist, bildete er zur  Wächterin und Werkmeisterin von Tag und Nacht  als die erste und älteste von den Gottheiten, so viel  ihrer innerhalb des Weltgebäudes entstanden sind.  Die Reigenbewegungen aber von diesen selber und  ihre gegenseitigen Annäherungen und Begegnungen, und was sich auf die Rückkehr ihrer Bahnen in sich selber und ihr Vorrücken bezieht, ferner, welche von den Göttern bei den Vereinigungen einander nahe und wie viele einander gegenüber treten,  und hinter welchen die einzelnen, indem sie einander ins Licht treten, und zu welchen Zeiten sie sich  für uns verbergen und, wenn sie dann wieder zum  Vorschein kommen, Furcht vor dem, was bevorsteht, und Vorzeichen desselben für die, welche  nicht zu rechnen verstehen, mit sich bringen, - dies darzustellen ohne Anschauung von Abbildungen,  die wieder von ihnen gemacht wären, würde eine  vergebliche Mühe sein, und so möge uns vielmehr  das Gesagte in der obigen Weise hinreichen und  die Erörterung über die Natur der sichtbaren und  geschaffenen Götter hiermit ihr Ende haben. Über die sonstigen götterartigen Wesen aber zu  sprechen und ihre Entstehung zu erkennen, übersteigt unsere Kräfte, und wir werden denjenigen  glauben müssen, welche ehedem darüber gesprochen haben, da sie ja, wie sie sagten, Abkömmlinge der Götter waren und doch wohl genau ihre Vorfahren gekannt haben werden. Unmöglich also ist  es, den Sprößlingen der Götter den Glauben zu versagen, wenn sie auch ohne wahrscheinliche oder  gar zwingende Beweisgründe sprechen; sondern als solchen, welche Familienverhältnisse mitzuteilen  behaupten, müssen wir ihnen, dem Herkommen  folgend, Vertrauen schenken. Folgendermaßen  möge daher nach ihrem Bericht hinsichtlich dieser  Götter ihre Entstehung für uns sich verhalten und  von uns angegeben werden: Der Ge und dem Uranos wurden Okeanos und Tethys geboren, diesen  aber wiederum Phorkys, Kronos und Rhea und so  viele mit ihnen entstanden; vom Kronos und der  Rhea aber entsprossen Zeus und Hera und alle, so  viel wir ihrer wissen, welche als ihre Geschwister  und von diesen allen selbst noch wieder als Abkömmlinge bezeichnet werden.

Als nun aber die Götter alle, sowohl die, welche  sichtbar herumkreisen, als auch die, welche nur erscheinen, je nachdem sie es selber wollen, ihre  Entstehung hatten, da spricht zu ihnen der Erzeuger des Alls folgendermaßen: »Göttliche Göttersöhne,  deren Bildner ich bin und Vater von Werken, welche, durch mich entstanden, unauflösbar sind, weil  ich es so will. Denn alles, was zusammengebunden ist, läßt sich zwar auch wieder auflösen, aber das,  was schön zusammengefügt ist und sich wohl verhält, würde nur ein Frevler wieder auflösen wollen. Deshalb seid ihr denn auch, weil ihr entstanden  seid, zwar nicht schlechterdings unsterblich und  unauflösbar; aber nichtsdestoweniger sollt ihr nimmer aufgelöst noch des Todesgeschickes teilhaftig  werden, weil ihr an meinem Willen ein noch stärkeres und mächtigeres Band als jene Bänder erlangt  habt, mit denen ihr zusammengebunden wurdet, als ihr entstandet. So merket denn nun, was euch  meine Rede verkündet! Es sind noch sterbliche Geschlechter, und zwar ihrer drei übrig, die noch unerzeugt sind: träten nun sie nicht ins Leben, so  würde das Weltgebäude unvollständig sein: denn  es würde dann nicht alle Geschlechter lebendiger  Wesen in sich tragen, und das muß es, wenn es  schlechthin vollständig sein soll. Wenn sie aber  durch mich entständen und mit Leben begabt würden, so würden sie den Göttern gleich werden.  Damit sie also zu Sterblichen werden und dieses  All ein wirkliches All sei, so kommt es euch  naturgemäß zu, euch an die Hervorbringung der lebendigen Geschöpfe zu machen, indem ihr meine  Tätigkeit, wie sie bei eurer Entstehung stattfand,  nachahmt. Und so viel an ihnen dem Unsterblichen  gleichnamig zu sein verdient, nämlich das Göttlichzunennende und Leitende in ihnen, soweit sie stets  dem Rechte und euch zu folgen geneigt sind, von  dem will ich die Samen und Keime selber bilden  und euch dann übergeben; in ihren übrigen Teilen  aber sollt ihr, indem ihr mit diesem Unsterblichen  Sterbliches verwebt, die lebendigen Geschöpfe  vollenden und erzeugen und, indem ihr ihnen Nahrung gebt, sie wachsen lassen und, wenn sie dahingeschwunden sind, wieder in euch aufnehmen.« So sprach er und goß wiederum in dasselbe  Mischgefäß, in welchem er zuvor die Seele des Alls zusammengemischt hatte, die Überreste derselben  Bestandteile hinein und vermischte sie zwar ungefähr auf die gleiche Weise, nahm sie aber nicht von derselben gleichmäßigen Reinheit, sondern vom  zweiten und dritten Range. Und nachdem er aus  ihnen ein Ganzes gebildet hatte, verteilte er dies in  Seelen von gleicher Zahl mit den Sternen und teilte  je eine einem jeden zu, und nachdem er sie so auf  dieselben wie au fein Fahrzeug gesetzt hatte, zeigte er ihnen die Natur des Alls und verkündete ihnen  die vom Schicksal verhängten Gesetze, daß  nämlich die erste Geburt auf die gleiche Weise für  sie alle bestimmt sein werde, auf daß keine von  ihnen in Nachteil durch ihn gesetzt würde, und daß  sie auf die einzelnen, einer jeden entsprechenden  Werkzeuge der Zeit verpflanzt, zu demjenigen aller lebendigen Geschöpfe werden sollten, welches am  meisten die Götter verehre; und da die menschliche  Natur eine zwiespältige sei, so solle das edlere von  beiden Geschlechtern mit einer solchen Beschaffenheit vorgebildet werden, wie sie hernach mit dem  Namen Mann verbunden sein sollte. Sobald sie  nun aber der Notwendigkeit gemäß in Leiber eingepflanzt wären und von ihrem Leibe ein Teil hinzu  käme und ein anderer Teil abginge, so müsse notwendig zuerst die Wahrnehmung und Empfindung  auf gleiche Weise in ihnen allen entstehen, als notwendig mit starken Erregungen und Eindrücken  verwachsen; sodann als das Zweite die Liebe, welche aus Lust und Schmerz gemischt ist; hierauf  Furcht sowie Zorn und Eifer und alles, was hiermit  zusammenhängt, und wiederum alles, was aus der  Gegenwirkung hervorgeht. Wenn sie nun über  diese Erregungen herrschten, so würden sie gerecht  leben, wenn sie aber sich von ihnen beherrschen  ließen, ungerecht. Und wer die ihm zugemessene  Zeit hindurch wohl gelebt habe, der solle in die Behausung des ihm verwandten Gestirnes  zurückkehren und ein seliges und seiner Gewohnheit entsprechendes Leben führen; wer aber hierin  gefehlt, der werde in eines Weibes Natur bei seiner  zweiten Geburt verwandelt werden; wenn er aber  auch in diesem Zustande noch nicht seiner Schlechtigkeit Einhalt täte, so solle er der Art derselben  entsprechend jedesmal in eine Tiergattung von ähnlicher Art, wie er sie sich angebildet, übergehen  und in steter Verwandlung nicht eher ans Ziel seiner Leiden gelangen, als bis er, dem Umschwunge  des Selbigen und Gleichartigen in sich folgend,  jener wirren und vernunftlosen Masse, welche sich  später aus Feuer, Wasser, Luft und Erde ihm angesetzt, durch die Vernunft Herr geworden und so in  die Gestalt seiner früheren und edelsten Beschaffenheit zurückgekehrt wäre.

Nachdem er ihnen nun alle diese Gesetze verkündet hatte, um an der späteren Schlechtigkeit  eines jeden unschuldig zu sein, verpflanzte er sie  teils auf die Erde, teils auf den Mond, teils auf die  übrigen Werkzeuge der Zeit. Was aber nach dieser  Verpflanzung noch zu tun war, das überließ er den  jungen Göttern: nämlich, ihnen sterbliche Leiber  anzubilden und das noch Rückständige, was zur  Entstehung einer menschlichen Seele noch hinzukommen mußte, dies und alles damit Zusammenhängende zu vollenden und dann die Herrschaft zu  führen und nach Möglichkeit aufs schönste und  beste das sterbliche lebendige Wesen zu lenken,  soweit es nicht selber sich Übel zuziehen würde. Und nachdem er nun dies alles angeordnet hatte,  verharrte er seinerseits in dem seiner Art angemessenen Zustande; seine Kinder aber inzwischen,  nachdem sie die Anordnung des Vaters vernommen, leisteten ihr Folge, und nachdem sie den unsterblichen Keim zu dem sterblichen Lebendigen in Empfang genommen hatten, so entlehnten sie in  Nachahmung ihres Erzeugers Teile von Feuer,  Erde, Wasser und Luft von der Welt zu künftiger  Wiedererstattung, verkitteten darauf diese entnommenen Teile in Eins, indem sie sie nicht mit den  unauflöslichen Bändern, durch welche sie selber  zusammengehalten wurden, sondern mit einer  Menge von Stiften, welche ihrer Kleinheit wegen  unsichtbar waren, zusammenhefteten, bildeten so  aus der Gesamtmasse jeden einzelnen Körper und  banden endlich die Umschwünge der unsterblichen  Seele in diesen ab- und zuströmenden Leib hinein.  Diese nun, in einen so gewaltigen Strom eingeschlossen, beherrschten diesen weder, noch wurden sie von ihm beherrscht, sondern gewaltsam wurden  sie fortgezogen und zogen sie fort, so daß das  ganze lebendige Gebilde bewegt ward und demnach ohne Ordnung fortrückte, wohin der Zufall es  führte, und ohne Vernunft, weil es alle sechs Bewegungen hatte: denn nach vorn und hinten und ebenso nach rechts und links, und nach oben und unten,  kurz, überall nach den sechs Richtungen rückte es  in der Irre fort. Denn so heftig auch schon die zuströmende und abfließende Woge war, welche ihm  seine Nahrung brachte, so ward doch eine noch heftigere Erschütterung durch die Eindrücke von dem  bewirkt, was einem jeden widerfuhr, wenn sein  Körper mit einem fremden Feuer von außen zusammenstieß oder mit festen Erdteilen oder der dahin  gleitenden Feuchtigkeit des Wassers, oder wenn er  von einem Wirbel der durch die Luft erregten  Winde ergriffen wurde, und wenn dann durch dies  alles Bewegungen erregt und durch den Körper  hindurch fortgeführt wurden, bis sie die Seele fanden; und sie wurden denn auch nachher eben hiernach genannt und heißen auch noch jetzt insgesamt Empfindungen. Sie waren es also, welche schon  damals für den Augenblick die meiste und stärkste  Bewegung hervorbrachten; und indem sie vermöge  des unaufhörlich strömenden Flusses die Umläufe  der Seele in Bewegung setzten und heftig erschütterten, so hemmten sie sowohl den des Selbigen  gänzlich durch ihr Entgegenströmen und hielten  seine Herrschaft und seinen Fortgang auf, als sie  auch andererseits den des Anderen so erschütterten, daß sie die Zwischenräume des Zweifachen und  Dreifachen, welche ihrer je drei von beider Art  waren, und die Mittel- und Bindeglieder des Anderthalb-, Vierdrittel- und Neunachtelfachen, da sie ganz aufzulösen nur dem möglich war, welcher sie  zusammengeknüpft hatte, auf alle Weise verkehrten und alle möglichen Durchbrechungen und Störungen in die Kreise hineinbrachten, so viel es ihrer  nur geben konnte: so daß sie kaum noch mit einander zusammenhingen und sich zwar noch fortbewegten, aber vernunft- und regelwidrig, bald in entgegengesetzter Richtung, bald zur Seite und bald  kopfüber; gleichwie dann, wenn ein Mensch umgekehrt mit dem Haupte auf die Erde sich stützt, die  Füße aber nach oben gewandt hat und an irgend  etwas festhält, in diesem entgegengesetzten Zustande dessen, welcher sich in einer solchen Lage befindet, und derer, die ihn ansehen, beiden Teilen  gegenseitig das, was dem einen rechts, dem andern  links, und was dem einen links, dem andern rechts  erscheint. Wenn daher die Umläufe von eben demselben und von anderen ähnlichen Vorgängen in  heftigem Maße betroffen werden, so bezeichnen  sie, wenn sie mit etwas von dem außerhalb Befindlichen, sei es von der Art des Selbigen oder von der des Anderen, in Berührung kommen, sodann das,  was das Selbige mit irgend etwas ist, und das, was  ein Anderes ist als irgend etwas, auf eine der Wahrheit entgegengesetzte Weise und sind somit trügerisch und unverständig geworden, und keiner von  ihnen ist dann der herrschende und leitende, sondern diejenigen, welchen dann von außen her irgend welche Wahrnehmungen und Empfindungen  zustoßen und zuteil werden, dergestalt daß dieselben auch die Seele in ihrem ganzen Umkreis mit  sich fortreißen, diese scheinen dann zu herrschen,  obwohl sie vielmehr beherrscht werden. Infolge  aller dieser Erschütterungen wird denn auch die  Seele jetzt anfänglich bewußtlos, sobald sie in  einen sterblichen Körper hineinverflochten ist. Sobald aber der Strom des Wachstums und der Nahrung nur noch in geringerem Maße herzufließt,  dann bekommen die Umläufe wieder Ruhe, schlagen wieder ihren eigenen Weg ein und befestigen  sich auf diesem immer mehr im Verlaufe der Zeit.  Und dann erst machen die Umschwünge, indem sie  sich nach dem naturgemäßen Gange der einzelnen  Kreise richten und so das Andere und das Selbige  mit dem rechten Namen benennen, ihren Besitzer  vernunftbeseelt. Kommt nun dann auch noch die  rechte Nahrung durch geistige Ausbildung zur  Hilfe, dann wird er ganz und gar untadelhaft und  gesund und ist der größten Krankheit entflohen.  Hat er dies aber vernachlässigt, so gelangt er,  nachdem er hinkend die Lebensbahn zurückgelegt  hat, unvollkommen und unverständig wieder in die  Unterwelt. Dies nun geschieht einst in späterer  Zeit; das jetzt Vorliegende aber muß genauer  durchgegangen werden. Das also, was jenem vorangeht, nämlich die Entstehung des Körpers und  der Seele nach ihren einzelnen Teilen, und aus welchen Ursachen und aus welcher Absicht der Götter  sie entstanden sind, haben wir jetzt dergestalt zu  erörtern, daß wir, wie wir uns überhaupt an das am meisten Wahrscheinliche halten, so auch hierin  vorgehen.

Die göttlichen Umläufe nämlich, zwei an der  Zahl, schlossen die Götter, indem sie die Gestalt  des Alls, welche ja rund ist, nachahmten, in einen  kugelförmigen Körper, nämlich denjenigen ein,  welchen wir jetzt Kopf nennen, welcher das göttlichste und alles an uns beherrschende Glied ist.  Daher übergaben sie ihm auch den ganzen Leib als  eine für ihn zusammengebrachte Dienerschaft, weil sie bedachten, daß er aller Bewegungen, soviel  deren entstehen konnten, teilhaftig sein würde;  damit er also nicht auf der Erde, die da Höhen und  Tiefen von aller Art hat, herumrollend in Verlegenheit geriete, wie er jene übersteigen und aus diesen  sich herausarbeiten sollte, so gaben sie ihm denselben zum Fahrzeuge zu leichtem Fortkommen.  Demgemäß erhielt denn der Körper Länge und  trieb, indem die Gottheit ihn zum Gehen einrichtete, vier ausstreckbare und biegsame Glieder, mit  denen er sich teils anzuhalten, teils aufzustützen  und so allerorten sich fortzubewegen imstande  ward, indem er den Wohnsitz des Göttlichsten und  Heiligsten in uns auf seinem Gipfel trug. Beine und Hände also wuchsen auf diese Weise und zu diesem Zwecke allen Körpern an, und da die Götter  die vordere Seite für edler und der Herrschaft würdiger hielten, so verliehen sie unserem Gange vorzugsweise die Richtung nach vorne, und eben deshalb mußte auch die vordere Seite des menschlichen Körpers in unterscheidender Weise und unähnlich von der hinteren gebildet werden. Daher  fügten die Götter zunächst auf dieser Seite dem  Umkreise des Hauptes das Antlitz an, versetzten in  dieses die Werkzeuge für die gesamte Überlegungstätigkeit der Seele und verordneten, daß dieses das natürliche Vorne bilden und die Oberleitung haben sollte. Von diesen Werkzeugen aber  verfertigten sie zuerst die Leiter des Lichtes, die  Augen, und befestigten sie aus folgender Ursache  im Gesichte: Soviel nämlich vom Feuer nicht die  Eigenschaft hat zu brennen, sondern das milde  Licht zu verbreiten, welches jedem Tage eigentümlich ist, bildeten sie zu einem Körper. Nämlich das  in uns befindliche, hiermit verwandte reine Feuer  ließen sie glatt und dicht aus den Augen ausströmen, indem sie ihr ganzes Gewebe, und zwar vorzugsweise den mittleren Teil von ihm, so fest zusammenzogen, daß es alles andere Feuer von dichterer Beschaffenheit zurückhält und nur das von  jener Art rein hindurchläßt. Sobald daher das Tageslicht diese Ausströmung des Sehstrahles in sich  aufnimmt, so strömt eben damit Gleichartiges zu  Gleichartigem aus, und beides verschmilzt durch  diese seine Verwandtschaft in gerader Richtung  vom Auge zu einem einzigen Körper, wo nur  immer das von innen ausströmende Feuer an demjenigen, welches von den äußeren Gegenständen  her mit ihm zusammentrifft, im Gegenstoße einen  Halt findet. Und da nun dieser Lichtkörper eben  wegen seiner durchweg gleichartigen Beschaffenheit auch in allen seinen Teilen die gleichen Eindrücke empfängt, so teilt er von allen Gegenständen, mit welchem derselben er nur immer in Berührung tritt und welcher andere mit ihm, ihre Bewegungen dergestalt dem ganzen Leibe mit, daß sie  durch diesen bis zur Seele hindurchdringen, und erzeugt so die Empfindung, auf welche eben wir den  Ausdruck »wir sehen« anwenden. Sobald dagegen  das ihm verwandte Feuer des Tages in Nacht dahingegangen, so wird und bleibt der Sehstrahl vom  Auge abgeschnitten; denn da er nunmehr zu Unähnlichem heraustritt, so verändert er auch sich selber und erlischt, indem er nicht mehr mit der umgebenden Luft eine Verbindung eingeht, weil diese  kein Feuer hat. Er hört daher auf, eine Gesichtswahrnehmung hervorzubringen, und führt überdies  auch den Schlaf herbei. Indem nämlich nun das,  was die Götter zum Schutze des Gesichtes ins  Leben gerufen haben, das Gebilde der Augenlider,  indem (sage ich) diese sich schließen, so halten sie  die Gewalt des Feuers inwendig zurück, und dieses zerstreut und beschwichtigt sodann die Bewegungen im Inneren, so daß infolgedessen Ruhe eintritt.  Ist nun diese Ruhe in einem hohen Grade vorhanden, so entsteht ein nur wenig von Träumen getrübter Schlaf; sind aber einige stärkere Bewegungen  zurückgeblieben, so bewirken diese, daß Traumerscheinungen, welche der eigenen Natur dieser Bewegungen sowie der der Orte, an denen sie zurückgeblieben sind, an Art und Zahl entsprechen, sich  im Inneren bilden und sodann nach dem Erwachen  der Erinnerung auch äußerlich entgegentreten.  Ebenso ist auch die Erzeugung der Bilder in den  Spiegeln und der Widerschein in allen Körpern von glatter und glänzender Oberfläche hiernach nicht  mehr schwer zu erklären.

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